Immissionsschutzrecht – Genehmigungsfreie Anlagen

Inhalt:

  1. Anwendungsbereich
  2. Die Pflichten der Betreiber einer genehmigungsfreien Anlage
  3. Durchsetzung der Grundpflichten durch Maßnahmen der Behörden
  4. Konsequenzen für den Betreiber nach Erlass einer Einzelfallanordnung oder einer Untersagungsverfügung
  5. Rechtsschutz des Betreibers gegen die Maßnahmen der Behörden


Genehmigungsfreie Anlagen

 

Nur diejenigen Anlagen, die in der 4.Bundesimmissionsschutzverordnung genannt sind, benötigen für ihren Betrieb eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz.

Dies hat aber nicht zur Konsequenz, dass andere Anlagen, die gerade keiner speziellen bundesimmissionschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, nicht von diesem Gesetz erfasst werden.

Vielmehr treffen den Betreiber einer solchen Anlage ebenso bestimmte Pflichten, die in §§ 22 ff. des Bundesimmissionsschutzgesetzes normiert sind.

1. Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich der Vorschriften über genehmigungsfreie Anlagen erstreckt sich über ein weites Feld.

Voraussetzung ist jedoch zunächst einmal, dass eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Bundesimmissionsschutzgesetz ((BImSchG )vorliegt.

Danach sind Anlagen im Sinne dieses Gesetzes:

  • Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen
  • Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen und Fahrzeuge, soweit es sich dabei nicht um Verkehrsimmissionen handelt.
    Diese Form der Immission ist anderweitig im Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt.
  • ferner Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Immissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

Der Anwendungsbereich des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist eröffnet, sobald von der betreffenden Anlage Emissionen in Form von Luftverunreinigungen, Lärm, Wärme, Erschütterung und dergleichen ausgehen.

Die nachfolgenden Beispiele sollen das Ausmaß des Anwendungsbereiches aufzeigen:
So fallen unter derartige genehmigungsfreie Anlagen:

Handwerksbetriebe, Tankstellen, Baumaschinen auf Grundstücken, Abstellplätze, Kinderspielplätze, Sportplätze, Feuersirenen, Baustellen, Diskotheken, Garagen, Hundezwinger, Grillplätze, Kirchturmuhren, Schrottplätze, Telefonzellen, kleinere Heizungsanlagen in Wohnhäusern, Lagerfeuer, aber auch Anlagen beweglicher Art wie
Radiogeräte, Kräne, Kompressoren, Bagger, Druckluftbohrer, Rasenmäher, Mobilfunkgeräte, sowie Wohnwagen, soweit es sich nicht um Verkehrsgeräusche handelt.


Auch der Lärm auf einer Baustelle wird von der Regelung der §§22 Bundesimmissionsschutzgesetz erfasst.

Oft erscheint es problematisch, anlagenbedingte Immissionen von verhaltensbedingten Immissionen abzugrenzen. Dabei sind verhaltensbedingte Immissionen solche, die unmittelbar von Menschen, Pflanzen oder Tieren ausgehen.

 
Eine Abgrenzung vorzunehmen, ist jedoch erforderlich, da reinverhaltensbezogene Umweltbeeinträchtigungen nicht dem Bundesimmssionsschutzrecht, sondern dem Ordnungsrecht der Länderunterliegen.

2. Die Pflichten der Betreiber einergenehmigungsfreien Anlage

  • 22 Bundesimmissionsschutzgesetz regelt zunächst die Grundpflichten für die Errichtung und den Betrieb nichtgenehmigungsbedürftiger Anlagen, wobei Adressat dieser Pflichten der Anlagenbetreiber ist. Nicht erfasst wird der Hersteller oder der bloße Anlagenbenutzer, soweit er nicht zugleich Betreiberdieser Anlage ist.
    Den Besucher einer Sportstätte treffen folglich keine Verpflichtungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz.

Gemäß § 22 BImSchG hat der Betreiber eine nichtgenehmigungsbedürftige Anlage so zu errichten und zu betreiben, dass

  • Schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind
  • nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden, und
  • die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.

Unter dem Stand der Technik im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes versteht man den Entwicklungsstandfortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg im Betrieb erprobt worden sind, vgl. § 3 Abs. 6 BImSchG.

Das Gesetz erlegt dem Betreiber somit eine sog. Schutz- und Abwehrpflicht auf, die jedoch nur Anwendung findet, soweit die Anlage selbst schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.

Dabei versteht man unter schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 3 Abs.1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Immissionen sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre, sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen.
Um derartige schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen, müssen von der Anlage selbst Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlicheErscheinungen ausgehen ( sog. Emissionen).

Hierbei gilt jedoch zu beachten, dass bei nichtgewerblichen Anlagen die Grundpflichten des § 22 BImSchG nur auf Luftverunreinigungen und Geräusche bezogen sind, § 22 I Satz 3 BImSchG.

  • 22 Abs. 1 BImSchG normiert für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen somit lediglich einen Mindeststandard an Immissionsschutz, gemäß § 22 Abs.2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich rechtliche Vorschriften unberührt.

Diese anderen öffentlich rechtlichen Vorschriften können die Beseitigung von Gefahren oder erheblichen Nachteilen beabsichtigen, die gerade nicht vom Anwendungsbereich des § 22Bundesimmissionsschutzrechts erfasst werden.

Zu denken ist beispielsweise an Gefahrenabwehr durch Regelungen der Landesbauordnungen oder auch des allgemeinen Polizeirechts.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber auf der Grundlage des § 23 BImSchG eine Vielzahl von Rechtsvorschriften erlassen, um die Anforderungen an genehmigungsfreie Anlagen sowie der Betreiberpflichten zu konkretisieren.

Zu nennen sind hier beispielsweise

  • die 1. Bundesimmissionsschutzverordnung über Kleinfeuerungsanlagen vom 15.7.1988
  • die 2. Bundesimmissionsschutzverordnung zur Emissionsbegrenzung von leichtflüssigen Halogenkohlenwasserstoffen vom 10.12.1990
  • die 7. Bundesimmissionsschutzverordnung zur Auswurfbegrenzung von Holzstaub vom 18.12.1975
  • die 8. Bundesimmissionsschutzverordnung (RasenmäherlärmschutzVO) vom 13.7.1992
  • die 18. Bundesimmissionsschutzverordnung (SportanlagenlärmschutzVO) vom 18.7.1991
  • die 20. Bundesimmissionsschutzverordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemission beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen vom 7.10.1992
  • die 21. Bundesimmissionsschutzverordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen vom 7.10.1992


3. Durchsetzung der Grundpflichten durch Maßnahmender Behörden

  1. a) immissionsschutzrechtliche Anordnungen im Einzelfall:

Gemäß § 24 BImSchGkann die zuständige Behörde im Einzelfall Anordnungen treffen, um die Durchführung des § 22 BImSchG und der ergangenen Rechtsverordnungen zu gewährleisten. Auf diese Weise soll die Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Pflichten sichergestellt werden.

Voraussetzung für ein Einschreiten der Behörde ist ein Pflichtverstoß des Betreibers gegen die in § 22 BImSchG normierten Grundsätze.

Auf welchen Ursachen dieser Pflichtverstoß beruht, ist irrelevant. So kommt es vor allem auf ein mögliches Verschuldendes Betreibers nicht an.

Inhaltlich kann eine Anordnung nach § 24 BImSchG praktisch jede Anforderung stellen, die erforderlich ist, um die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Mindeststandards zu garantieren, solange die Vorgehensweise der Behörde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.

Es müssen Nutzen der Anordnung und Belastung des Anlagenbetreibers in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen.


Des Weiteren gilt zu beachten, dass § 24 BImSchG nachbarschützende Funktion zukommt. Ein durch Emissionen der Anlage betroffener Nachbar kann sich an die Behörde mit der Bitte wenden, gegen den emittierenden Betrieb vorzugehen, da dieser schädliche Umwelteinwirkungen verursache, die ihn, den Nachbarn unmittelbar beeinträchtigen.

Dabei stellt § 24 BImSchG Anordnungen gegenüber dem Betreiberin das Ermessen der Behörde, so daß einem Nachbarn aufgrund §24 BImSchG kein Anspruch auf Einschreiten gegen den Emittenteneingeräumt wird. Dieser kann von der Behörde lediglich eineermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Begehren verlangen.

Exkurs zum Nachbarbegriff:

Das Bundesimmssionsschutzrecht schützt in einigen Vorschriften ausdrücklich die Rechte des Nachbarn. Da Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz vielfach einen weiten Einwirkungsbereich aufweisen, darf man unter Nachbar nicht nur denjenigen in unmittelbarer Grenznachbarschaft verstehen, sondern jeden, der durch die Anlage hinreichend betroffen ist.

Man spricht hier auch von einem qualifizierten Betroffensein
Ein solch qualifiziertes Betroffensein ist anzunehmen, wenn die Auswirkungen der Anlage den Nachbarn nicht nur als Teil der Allgemeinheit, sondern persönlich in gesteigerten Maße treffen.

Darüber hinaus setzt der Begriff der Nachbarschaft ein besonderes Verhältnis zur Anlage voraus, d.h. der drittbetroffene Bürger ist nur dann berechtigt, die Behörde zum Einschreiten gegen den Betreiber zu verpflichten, wenn er in enger räumlicher und zeitlicher Beziehung zum Anlagegegenstand steht.

Die notwendige enge räumliche Beziehung richtet sich nach dem Einwirkungsbereich der Anlage und ist somit nur im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen.
Der Einwirkungsbereich einer Anlage ist das Gebiet, in das die von der Anlage emittierten Stoffe in solcher Menge oder Konzentration gelangen, dass sie – unter Umständen erst nacheiniger Zeit und im Zusammenwirken mit anderen Stoffen -schädliche Wirkungen erzeugen.

Eine enge zeitliche Beziehung ist dann anzunehmen, wenn der Nachbar den schädlichen Auswirkungen der von ihm angegriffenen Anlage auf eine gewisse Dauer hin ausgesetzt ist und er somit ein Opfer zu erbringen hat, das über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht.

Dies gilt für alle Personen, die ihren ständigen Aufenthalt oder sonstigen engen Lebensbereich im Einwirkungsraum der Anlage haben und sich deshalb deren Auswirkungen nicht nachhaltig entziehen können.

Gemeint sind somit Haus- und Grundstückseigentümer, deren Familien, aber auch Mieter, Arbeitnehmer oder Besucher einer Ausbildungsstätte.

Kein Nachbar ist demgegenüber derjenige, der sich nur bei Gelegenheit in der Nähe der Anlage aufhält.


  1. b) Betriebsuntersagung:

Kommt der Betreibereiner Anlage einer vollziehbaren behördlichen Anordnung nach §24 BImSchG nicht nach, so kann die zuständige Behörde denBetrieb bis zur Erfüllung der Anordnung ganz oder teilweiseuntersagen, § 25 Abs. 1 BImSchG.
Inhaltlich kann sich die Untersagung nur gegen den Betrieb einer Anlage richten, eine Untersagung der Errichtung der Anlage ist dagegen nicht möglich.
Sinn dieser Vorschrift ist es, gegen den Betreiber eine Sanktion zu verhängen, um diesen auf diese Weise zur Erfüllung der immissionsrechtlichen Bedingungen zu verpflichten.

Gemäß § 25 Abs. 2BImSchG, der eine weitere eigenständige Untersagungsermächtigung enthält, soll sowohl der Betrieb, wie auch ggf. die Errichtung oder die Inbetriebnahme der Anlageuntersagt werden, wenn die von einer Anlage hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder bedeutende Sachwerte gefährden und die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weiseausreichend geschützt werden kann.

Auch die Vorschrift des § 25 Abs. 2 BImSchG gewährt Nachbarschutz. Der Dritte hat hierbei sogar einen Rechtsanspruch auf Einschreiten der Behörde. Nur bei Vorliegen atypischer Umstände beschränkt sich das Recht des Nachbarn auf fehlerfreie Ermessensausübung.

4. Konsequenzen für den Betreiber nach Erlaß einerEinzelfallanordnung oder einer Untersagungsverfügung:

Sobald dem Betreiber der nicht genehmigungsbedürftigen Anlage die Verfügung derBehörde bekannt gemacht wird, erlangt diese Wirksamkeit, auch wenn die Verfügung rechtswidrig ist, vgl. § 43 Abs. 1Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).
Sollte der Bescheid jedoch ausnahmsweise nichtig sein, entfalteter in diesem Fall keinerlei Rechtswirkungen, vgl. § 43 Abs. 3VwVfG.

Die Anordnung der Behörde ist anlagenbezogen, d.h. sie geht im Falle der Veräußerung auf den Erwerber der Anlage über. Für diesen gelten die Anordnungen der Behörde somit regelmäßig im gleichen Umfang.

Kommt der Betreiber den Verpflichtungen der Verfügung nichtnach, kann die Behörde im Wege des sog. Verwaltungszwangs gegen ihn vorgehen. Dabei richtet sich die Art der Vollstreckung grundsätzlich nach den jeweiligen Vollstreckungsgesetzen der Länder.

Als besondere Formender Zwangsmittel kennt das Gesetz das Zwangsgeld, die Zwangshaft, die sog. Ersatzvornahme und die Anwendung von unmittelbarem Zwang.
Daneben stellt der Verstoß gegen eine Anordnung, die die Behörde aufgrund von §§ 24, 25 BImSchG erlassen hat, eine Ordnungswidrigkeit dar, wobei hier Geldbußen bis maximalhunderttausend DM festgesetzt werden dürfen, vgl. § 62 Abs. 3BImSchG.

5. Rechtsschutz des Betreibers gegen die Maßnahmen der Behörden:

Der Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage kann gegen die Verfügung der Behörde, die einen Verwaltungsakt darstellt, Widerspruch und Anfechtungsklage einlegen.

Hierbei muss der Betreiber jedoch damit rechnen, dass die gegen ihn erlassene Verfügung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von der Widerspruchsbehörde sogar noch verschärft werden kann.

Bevor der Betreiber also behördliche oder gerichtliche Schritte gegen die Vorgehensweise der Behörde einleitet, sollte er vorabprüfen, ob die geforderten Schritte tatsächlich unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sind. Die rechtliche Überprüfung durch eine fachkompetente Stelle kann so unter Umständen weitere Verschärfungen verhindern und Kosteneinsparen.

Die Praxis hat oftmals gezeigt, dass ein ablehnender Widerspruchsbescheid seitens der Widerspruchsbehörde vom zuständigen Gericht bestätigt wird.