Clerical Medical

Im Zeitraum von 1998 bis 2006 haben diverse Firmen sogenannte Finanzierungs- und Hebelmodelle angeboten, wie z. B. Schneerente, Lex-Konzept-Rente, Europlan, Systemrente und Individualrente, bei denen Versicherungspolicen von Clerical Medical als Kapitalanlage eingebunden wurden. Diese Konzepte wurden überwiegend finanziert und beruhten zumindest teilweise auf der Annahme, dass die Rendite der Anlagen höher als der für die Finanzierung zu zahlende Zins sein würde. Aufgrund der versprochenen hohen Renditen haben die Anleger für die Einzahlungen in die Versicherungsverträge Darlehen aufgenommen. Jedoch haben sich die Renditeerwartungen der Anleger zumeist nicht erfüllt, womit diesen Anlegern enorme Verluste aus diesen Konzepten drohen. Was schließlich auch der Grund dafür ist, dass dies zu einer regelrechten Klagewelle gegen den englischen Lebensversicherer Clerical Medical geführt hat.

Nunmehr hat der Bundesgerichtshof am 11.07.2012 in mehreren Verfahren zugunsten von Anlegern, die in den Jahren 2001 und 2002 kreditfinanzierte Lebensversicherungsverträge des Produkttyps „Wealthmaster Noble“ bei der Clerical Medical Investment Ltd. abgeschlossen haben, entschieden.

Bei der Kapitallebensversicherung „Wealthmaster Noble“ handelt es sich um eine Geldanlage, bei denen die Anleger gegen Zahlung eines Einmalbetrages Anteile an einem „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“, dem „Euro-Pool 2000EINS“ erworben haben. Die Anleger nahmen zur Finanzierung des Einmalbetrages ein Bankdarlehen auf und traten ihre Ansprüche an die Kreditgeberin ab. Die Darlehenszinsen sollten schließlich durch regelmäßige Auszahlungen aus der Lebensversicherung gedeckt werden. Darüber hinaus investierten die Anleger im Rahmen des „Europlan“ in ein Wertpapierdepot, das bei Endfälligkeit zur Tilgung des Darlehens verwendet werden sollte. Die Anleger wurden durch Vermittler mit Renditeprognose von 8,5 % gelockt. Damit sollten sie die Kreditzinsen ohne weiteres bedienen können. Intern ist Clerical Medical allerdings selbst nur von Renditeerwartungen von 6 % ausgegangen. Der versprochene Wertzuwachs, der den Anlegern zugeteilten Poolanteile reichte  in der Folgezeit nicht aus, so dass die Clerical Medical unter Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen die Anzahl der den Anlegern zugewiesenen Anteile und damit den jährlichen Vertragswert reduzierte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken.

Eine Vielzahl der Anleger verfolgen nunmehr in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen. So berufen sie sich u. a. darauf, dass die Clerical Medical mit unrealistischen Renditeerwartungen geworben habe und verlangen schließlich Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrauensschadens, insbesondere Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen bzw. die Erfüllung des Auszahlungsplans ohne Rücknahme von Anteilen.

Der Bundesgerichtshof bestätigte zum den Erfüllungsanspruch der Anleger gegen die Clerical Medical hinsichtlich des in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungsplans, wie dies auch bereits die Vorinstanz – das Oberlandesgericht Stuttgart – gesehen hatte. Anders als das Oberlandesgericht Stuttgart sieht der Bundesgerichtshof auch Schadensersatzansprüche gegen Clerical Medical für gegeben. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hat der Versicherer die Kunden – wie auch bei anderen Anlagegeschäften – vor Vertragsabschluss vollständig über alle Umstände zu informieren, die für deren Entscheidung von Bedeutung sind. Diese Pflicht habe Clerical Medical verletzt, da sie den Anlegern ein zu positives Bild von der zu erwartenden Rendite übermittelt habe. So wurden den Anlegern Musterberechnungen vorgelegt, die auf einer Renditeprognose von 8,5 % basieren, obwohl der Versicherer Clerical Medical intern selbst nur eine Rendite von 6 % als realistisch ansah.

Weiter hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Clerical Medical zu einer verständlichen Information darüber verpflichtet war, dass sie im Rahmen des von ihr praktizierten sogenannten Glättungsverfahrens („smoothing“) nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, in welcher Höhe eine tatsächlich erzielt Rendite an die Versicherungsnehmer weitergegeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt. Zudem hätte die Clerical Medical darüber aufklären müssen, dass die mit den Beträgen der Anleger gebildeten Reserven auch zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger anderer Pools verwendet werden können. Ferner hat der Bundesgerichtshof die in den Policenbedingungen enthaltenen Regelungen zur „Marktpreisanpassung“ für unwirksam erachtet, da diese gegen das Transparenzgebot verstoßen.

Zugleich stellte der Bundesgerichtshof fest, dass sich der Versicherer das Verhalten und die Erklärungen, von rechtlich selbständigen Vermittlern und von diesen eingesetzten Untervermittlern zurechnen lassen muss, wenn der Versicherer auf ein eigenes Vertriebssystem verzichtet.

Mit diesen richtungsweisenden Urteilen hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes die Rechte von Versicherungsnehmern kapitalbildender Lebensversicherungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Kapitalanlage gleichkommen, gestärkt. Wir empfehlen Anlegern, die Lebensversicherungsverträge bei der Clerical Medical abgeschlossen haben, ihre Ansprüche von einem auf dem Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen.

Jana Naumann

Rechtsanwältin

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Autor: Martin Buck

Autor: Martin Buck

Rechtsanwalt

Inhaber esb Timișoara


Veröffentlicht am 29.08.2012
unter #Bankrecht