Landgericht Köln: Überprüfungspflicht des Merchant & Haftung für Affiliate-Partner

Am 06.10.2005 hat das Landgericht Köln (31 O 8/05) ein richtungsweisendes Urteil gefällt: Das Landgericht sieht den Merchant in der Haftung für rechtswidriges Verhalten seiner Werbepartner, und zwar unabhängig von seiner Kenntnis von diesem Verhalten. Köln weicht insoweit von einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 03.08.2005 (315 O 296/05) ab. Bisher galt es als selbstverständlich, dass ein E-Commerce-Anbieter (vor allem ein Webshop), der Werbepartnerschaften offerierte, nicht die in der Regel in die Tausende (nicht selten in die Millionen) gehenden Partnerseiten auf etwaige Rechtsverstöße untersuchen musste. Denn zu einer Unterbindung etwaiger Verstöße bestünde schon technisch keine Möglichkeit, von der Zumutbarkeit des organisatorischen Aufwands einer solchen Prüfung einmal ganz abgesehen. Eine Überprüfungspflicht, so der einhellige Tenor, würde dem „Aus“ dieser Marketingform gleichkommen. Das Landgericht Köln ist nun der Ansicht, dass derjenige, der seine Partner durch Verprovisionierung nach Umsatz dazu ermuntere, möglichst viel Traffic zu generieren, für diese Partner wie für Beauftragte haften müsse. Dies soll auch gelten, wenn die Werbemittel vom Anbieter im Wesentlichen vorgegeben worden sind und sogar dann, wenn der Partner eigenmächtig gehandelt hat, hier nämlich sich unter einer Domain beim Partnerprogramm angemeldet hatte, die er dann jedoch zu seiner Verlinkung überhaupt nicht einsetzte. Wörtlich heißt es: „Die Beklagte haftet auch für das Verhalten (… ihrer Affiliate-Partnerin). Sie hat ihre Werbung an diese delegiert, wobei es nicht den geringsten Unterschied macht, ob noch (… der Affiliate-Netzwerkbetreiber) dazwischengeschaltet ist oder nicht. Die Beklagte haftet daher auch für alle Meta-Tags (…), und zwar auch auf Webseiten, die nicht Teil des Partnerprogramms sind. Schließlich ist es im Interesse der – provisionsabhängigen – (… Affiliate-Partnerin), möglichst viel Traffic bei der Beklagten zu erzeugen. Denn (… die Affiliate-Partnerin) verdient im Rahmen des Partnerprogramms der Beklagten nur dann Geld, wenn Internetnutzer von einer Seite der (… Affiliate-Partnerin) auf die Webseite der Beklagten gelangen und dort einkaufen. Der Einwand der Beklagten, sie könne nicht sämtliche Meta-Tags ihrer zahlreichen Werbepartner kontrollieren, überzeugt die Kammer nicht. Verboten wird der Beklagten – und ihren Werbepartnern – im Kern nur eins: Die Verwendung der Firmen/Marken von direkten, großen Wettbewerbern als Meta-Tags. Die Anzahl dieser Firmen/Marken ist aber überschaubar; sie können leicht in einer Liste aufgezählt und als Anhang zu den Verträgen mit den Werbepartnern genommen werden. Die Beklagte kann und muss also vertraglich sicherstellen, dass die Namen der Wettbewerber nicht als Meta-Tags genutzt werden.“ Im Termin zur mündlichen Verhandlung hatte die Kammer noch näher präzisiert, wie sie sich diese Verbotsbindung der Affiliate-Partner vorstelle. Geeignete Abhilfe könne dadurch versucht werden, dass den Partnern eine fortlaufend zu aktualisierende Liste mit den Firmen/Marken und sonstigen Kennzeichnungen von Unternehmen übermittelt werde, die der Partner in keinem Fall zur Steigerung der Attraktivität seines Angebotes in Suchmaschinen verwenden dürfe. Das Landgericht übersieht freilich, dass mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (ebay/ROLEX) eine Prüfung auf etwaige Rechtsverletzungen erst dann zumutbar ist, wenn der Anbieter in der Vergangenheit auf klare Rechtsverletzungen bereits hingewiesen worden war. Davon konnte freilich im vorliegenden Fall keine Rede sein. Auch eine echte Handlungsalternative bleibt die Kölner Kammer schuldig. Wo beispielsweise zieht ein großes Versandhaus für Fahrräder und Fahrradzubehör die Grenze, welches sind die „direkten und großen Wettbewerber“? Derlei Grenzen müssen verschwimmen, da gerade der große Versandhandel bekanntermaßen eine umfangreiche Palette unterschiedlichster Artikel – von Mode über Fahrräder bis hin zu Office und Sanitär – anbietet. Die Frage wäre daher, wo die Kölner Beklagte eine solche Grenze hätte ziehen sollen, wer also auf ihrer imaginären Liste hätte stehen müssen. Denn auch OTTO und Tchibo bieten Fahrräder und Fahrradzubehör an. Macht sie das zu „direkten, großen Wettbewerber“ der Beklagten, einem großen Versandhaus für Fahrräder und Zubehör? Vergewärtigt man sich den Erwägungsgrund 42 der Europäischen Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr“ in Bezug auf Untersuchungsobliegenheiten, dann kann mit dem Bundesgerichtshof (ebay/ROLEX) nur gelten: „Einem Unternehmen, das […] im Internet eine Plattform […] betreibt, ist es nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Eine solche Obliegenheit würde das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen“. Hier schließt sich jedoch der Kreis: Eine Überprüfungspflicht des Merchants in Bezug auf Tausende, nicht selten Millionen Affiliates würde dem „Aus“ dieser Marketingform gleichkommen. Die Entscheidung, die für sämtliche Beteiligten an Affiliate-Partnerprogrammen – Webshop-Anbieter (Merchant), Anbieter des Partnerprogramms (Affiliate-Netzwerkbetreiber), Werbepartner (Affiliate) – weitreichende Folgen haben könnte, steht nun zur Überprüfung durch das Oberlandesgericht Köln und, da es sich um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art handelt, gegebenenfalls zu einer späteren Revision durch den Bundesgerichtshof an.

Veröffentlicht am 15.10.2005
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