Telearbeit

Telearbeit

I. Vorbemerkung

Bei der Telearbeit werden Arbeiten, hauptsächlich Büroarbeiten, in die Wohnung des Telearbeiters verlagert, wobei jedoch eine kommunikationstechnische Anbindung des Arbeitsplatzes an das zentrale Büro vorhanden ist. Telearbeit erfordert also technische Kommunikation und organisatorische Vorgaben wegen der Vergabe von Arbeiten. Für den Begriff der Telearbeit sind daher drei Merkmale entscheidend:
· Eine auf programmgesteuerte Arbeitsmittel gestützte Tätigkeit;
· Ein vom Arbeitgeber oder Auftraggeber räumlich getrennter Arbeitsplatz;
· Die Verbindung des Arbeitsplatzes mit einer Zentrale durch elektronische Kommunikationsmittel.

II. Erscheinungsformen

1. Teleheimarbeit

Hier arbeitet der Telearbeiter ausschließlich zu Hause. Als Rechtsform sind ein normales Arbeitsverhältnis, Heimarbeit nach dem Heimarbeitsgesetz oder berufliche Selbständigkeit möglich.

2. Alternierende Telearbeit

Dies ist die verbreiteteste Form der Telearbeit. Hier besteht neben dem Heimarbeitsplatz weiterhin der betriebliche Arbeitsplatz fort. Die jeweiligen Arbeitsinhalte bestimmen, wo wann gearbeitet wird; die Arbeitnehmer können sich der neuen Arbeitsform schrittweise nähern und behalten ihre sozialen Bindungen im Unternehmen.

3. Telearbeitszentren

Hier treffen sich die Telearbeiter in lokalen Büros, von denen sie ihre Arbeit erledigen. Bei firmeneigenen Arbeitsstätten spricht man von Satellitenbüros. In Nachbarschaftsbüros betreiben mehrere Firmen ein gemeinsames Büro.

4. Mobile Telearbeit

Außendienstler im weitesten Sinne (insbesondere Handelsvertreter und Reporter), Berater und Führungskräfte arbeiten hier mit einer entsprechenden Telekommunikationsausrüstung von Kunden, Hotels oder Baustellen aus; auch die telekommunikationsgestützte Arbeit in der Bahn oder anderen Verkehrsmitteln zählt hierzu.

5. Virtuelle Unternehmen

Zusammenschluß von rechtlich unabhängigen und räumlich getrennten Selbständigen oder Kleinunternehmern – auf Dauer oder auch nur für ein Projekt – zu einem virtuellen Unternehmen.

III. Betriebswirtschaftliche Vorteile

Unstrittiger Vorteil ist die höhere Zeitsouveränität der Telearbeiter. Nach bisherigen Erfahrungen mit insbes. alternierender Telearbeit finden sich kaum Hinweise auf die oft befürchtete soziale Isolierung und die Ablösung fester Beschäftigungsverhältnisse durch Scheinselbstständigkeit. IdR hat der Arbeitgeber Vorteile durch Kosteneinsparung für Räumlichkeiten und deren Ausstattung, Verbesserung der Arbeitsergebnisse, Flexibilität im Personaleinsatz, effizientere Kundenbetreuung, Abwälzung der Kosten für die technische Einrichtung des Arbeitsplatzes, Einsparung von Kosten für die Papierkommunikation.

a) Vorteile Telearbeiter

· Verringerung bzw. Wegfall der Pendelzeiten
· bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem
· Zeitsouveränität, Arbeiten nach individuellem Arbeitsrhythmus
· angenehme Arbeitsatmosphäre
· größere Wahlfreiheit bei der Wohnortwahl

b) Vorteile Unternehmen

· direkte Kostenersparnis bei Büroflächen etc.
· höhere Produktivität und Kreativität der Mitarbeiter
· Erhalt und Zugang zu qualifizierten Mitarbeitern
· größere Kundennähe, besserer Kundenservice
· bedarfsgerechter Einsatz freier Mitarbeiter

c) Vorteile Gesellschaft

· Reduzierung von Berufsverkehr und Energieeinsparung
· Minderung der Siedlungsdrucks auf die Ballungsräume
· Schaffung von Arbeitsplätzen u.a. in strukturschwachen ländlichen Räumen
· Beschaffungsmöglichkeiten für spezielle Zielgruppen (Frauen mit kleineren Kindern, Behinderte)

IV. Betriebswirtschaftliche Nachteile

Ausstattungskosten für besondere Arbeitsplätze, schlechte Überwachungsmöglichkeiten, Verminderung der Vertraulichkeit überlassener Dokumente, Abhängigkeit von den Gebühren für die Benutzung der allgemeinen Kommunikationssysteme.

a) Nachteile Telearbeiter

· ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse
· soziale Isolation
· Karriereeinbußen
· fehlende Trennung von Beruf und Privatleben
b) Nachteile Unternehmen
· Unwirtschaftlichkeit
· mangelnde Datensicherung bzw. Datenschutz
· Reibungen mit traditionellem unflexiblem Management
· höherer Koordinierungsbedarf
c) Nachteile Gesellschaft
· Abwandern von Arbeitsplätzen ins Ausland
· Landschaftszersiedlung
· Anstieg des Individualverkehrs

V. Rechtlicher Status des Telearbeiters

Der Telearbeitnehmer kann Selbständiger, Arbeitnehmer, Heimarbeiter oder arbeitnehmerähnliche Person sein.

Selbständig ist der Telearbeiter, wenn er
– entweder als freier Mitarbeiter selbständig über Arbeitszeit, Arbeitsfolge, Arbeitsort und Art der Arbeitsleistung bestimmen kann, insbesondere ihm Hard- und Software innerhalb eines selbstbestimmten Organisationsrahmens zur Verfügung gestellt und die Arbeitskraft für verschiedene Arbeitnehmer angeboten wird;
– oder er als Unternehmer über eine innere und äußere Unternehmensorganisation verfügt, für die er das unternehmerische Risiko trägt.

Er ist Arbeitnehmer, wenn er im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflichtet ist. Maßgebend ist die Weisungsgebundenheit nach Arbeitszeit, Arbeitsort, Arbeitsfolge und Arbeitsausführung. Arbeitnehmer kann er also auch dann sein, wenn er als Telearbeiter in eigener Wohnung arbeitet. Eine zeitliche Bindung kann erreicht werden, wenn er Abrufarbeit leistet, kurze Ankündigungs- und Erledigungsfristen bestehen, eine Bindung an den Zentralrechner erfolgt usw. Persönliche Abhängigkeit ergibt sich ferner bei technischer Überwachung und Kontrolle.

Heimarbeiter ist, wer an selbstgewählter Arbeitsstätte allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder gewerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung des Arbeitsergebnisses dem Auftraggeber überläßt. Erforderlich ist in jedem Fall eine eigene Arbeitsstätte. Der Heimarbeiter trägt nicht das kaufmännische (Verwertungs-) Risiko. Heimarbeiter sind wirtschaftlich, nicht aber persönlich abhängig. Erfüllt der Telearbeitnehmer diese Voraussetzungen, so findet auf ihn das HAG (Heimarbeitergesetz) Anwendung. Heimarbeiter sind keine Arbeitnehmer, da sie nicht persönlich abhängig sind. Sie unterliegen nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Sie können Dauer und Lage der Arbeitszeit nach eigenem Ermessen einrichten, die Reihenfolge der Arbeit bestimmen und eventuell Gehilfen hinzuziehen. Arbeitsrecht findet auf sie grundsätzlich keine Anwendung. Das HAG enthält jedoch Vorschriften über den Arbeitsschutz, allgemeinen Gefahrenschutz, Entgelt- und Kündigungsschutz. In einzelnen Bestimmungen des Arbeitsrechts sind sie den Arbeitnehmers gleichgestellt (Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, Feiertagslohnzahlung, Erziehungsurlaub und Mutterschutz, Entgeltfortzahlung, Urlaubsentgelt, Vermögensbildung usw.). Da Heimarbeiter als Beschäftigte gelten, sind sie in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig.

Freie Mitarbeiter im Bereich Telearbeit sind vor allem solche Personen, die für mehrere Unternehmen hochqualifizierte Programmierarbeit im Bereich der Datentechnik anbieten. Denkbar ist aber auch, daß nur einfache Schreibarbeit für mehrere Unternehmen verrichtet wird.

VI. Rechtliche Behandlung des Telearbeiters

Die rechtliche Behandlung richtet sich nach dem Rechtsstatus. Agiert der Auftragnehmer als Selbständiger bzw. Freiberufler, sind die Vorschriften des BGB bzw. des HGB anwendbar. Telearbeit erzeugt also in bezug auf die vertraglichen Beziehungen grds. keine neue Situation.

VII. Rechtsaspekte im Zusammenhang mit Telearbeit

Folgende Bereiche werden berührt:
· Arbeitsvertragsrecht;
· Haftungsrecht;
· Gesundheits- und Unfallschutz;
· Datenschutz;
· betriebliche Integration/Mitbestimmungsrechte;
· Umgehung nationaler Arbeitnehmerschutzbestimmungen

1. Arbeitsvertragsrecht

Durch Telearbeit können Leistungs- und Beweisprobleme auftreten, insbesondere bei der Vertragserfüllung, wenn im Zuge eines elektronischen Dokumentenaustauschs zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und anschließender Bearbeitungen auf beiden Seiten, speziell im Falle von Mängeln, die Anteile nicht mehr klar abgegrenzt werden können. Diese Kehrseite der an sich vorteilhaften Telekooperation sollte in den zugrundeliegenden Arbeitsverträgen behandelt werden (Übergabeprozeduren).

Liegt ein Heimarbeitsverhältnis vor, so ist damit in bezug auf den Kündigungsschutz, vor allem aber auch auf die Regelmäßigkeit der Beschäftigung eine Schlechterstellung des Heimarbeiters verbunden (s.o.). Entscheidende Kriterien für die entsprechende Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses sind die Weisungsgebundenheit und die Überwachung. Findet letzteres statt, so deutet dies auf Arbeitnehmereigenschaften hin. Auch im Falle einer weitestgehend durch Rechnerprogramme organisierten Kontrolle der Leistungen wird nach vorherrschender Ansicht voneinem Arbeitnehmerstatus auszugehen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber Zugriff zu auf dem Server gespeicherten Arbeitsergebnissen hat.

2. Haftungsrecht

Die Haftungsfrage ist im Telearbeitsertrag idR ungeregelt. Gleichwohl birgt Telearbeit ein nicht unerhebliches Gefahrenpotential. Kinder können am heimischen Rechner herumspielen und Daten zerstören, oder es können über den auch privat genutzten PC Viren in die betrieblichen Rechnersysteme eingebracht werden. Der privathaftliche Schutz des Arbeitnehmers ist hierfür nicht geeignet. Es empfehlen sich vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Im übrigen wird von Experten eine analoge Anwendung des §16 Heimarbeitsgesetzes hinsichtlich der Verteilung der Verantwortlichkeit beim Gefahrenschutz favorisiert. § 16 HAG lautet:
(1) Wer Heimarbeit ausgibt oder weitergibt, hat dafür zu sorgen, daß Leben oder Gesundheit der in der Heimarbeit Beschäftigten durch technische Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe, die er ihnen zur Verwendung überläßt, nicht gefährdet werden.
(2) Die zur Durchführung des Gefahrenschutzes erforderlichen Maßnahmen, die sich auf Räume oder Betriebseinrichtungen beziehen, hat der zu treffen, der die Räume und Betriebseinrichtungen unterhält.

3. Datenschutz und Unverletzlichkeit der Wohnung

Mit Telearbeit untrennbar verbunden sind Probleme im Zusammenhang mit den notwendigen Begrenzungen des Arbeitsumfangs. Solche ergeben sich im Hinblick auf § 9 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz). Hiernach dürfen personenbezogene Daten nur in einem kontrollierten Raum bearbeitet werden. Beispielsweise trifft den Arbeitgeber eine Meldepflicht, welche Geräte zu seinem betrieblichen Gesamtsystem gehören und wo sie installiert und eingesetzt werden. Eine derartige Kontrolle läßt sich im häuslichen Bereich schlechterdings nicht aufrecht erhalten, auch wenn – was keinesfalls immer beansprucht werden kann – der Datenschutzbeauftragte den Zugang zum häuslichen Arbeitsplatz erhält.
Ein Zutrittsrecht gegen den Willen des betroffenen Telearbeiters für Arbeitgeber, Arbeitnehmervertreter und Behörden besteht nicht. Hieraus folgt, daß personenbezogene Daten an häuslichen Telearbeitsplätzen nicht verarbeitet werden sollten.

4. Betriebliche Integration/Mitbestimmungsrechte

Als typisches Problem der Telearbeit wird die Isolation gesehen. Es stellt sich die Frage nach der Wahrung von Rechten laut Betriebsverfassungsgesetz (Teilnahme an Betriebsversammlungen, passives Wahlrecht). Befürchtet wird insgesamt informationelle Entfremdung gegenüber Kollegen und dem Betriebsrat, der umgekehrt wegen der fehlenden persönlichen Kontakte ggf. in seiner Bereitschaft zur Unterstützung beeinträchtigt ist. Als ein weiteres ernsthaftes Problem wird die fehlende Möglichkeit des Vergleiches der eigenen Leistung mit der der Kollegen angesehen, was zur einer Schwächung der vertraglichen Position und Karriereeinbußen führen kann. Das Betriebsverfassungsgesetz ist aufgrund der Besonderheiten, die sich aus dem Arbeiten zu Hause ergeben (z.B. Kontrolle des Arbeitsplatzes) einschränkend zu interpretieren: Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit und der Pause ist daher abzulehnen. Dem Telearbeiter muß die individuelle Zeitsouveränität bleiben.

5. Umgehung nationaler Arbeitnehmerschutzbestimmungen

Mit der Telekommunikation wird zunehmend die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Telearbeit eröffnet. Es stoßen unterschiedliche Arbeitsrechtsverhältnisse aufeinander. Grundsätzlich gilt das Recht am Standort des Arbeitgebers. Dies könnte insbesondere im Verhältnis zu Großbritannien wegen des geringeren Schutzniveaus gerade bei Kündigungen zu Problemen führen. Beispiel: Ein deutsches Unternehmen gründet zur Durchführung von Telearbeit in Großbritannien eine Tochtergesellschaft, die mit deutschen Arbeitnehmern Verträge nach englischem Recht abschließt, wobei die Arbeitsergebnisse jedoch für das deutsche Unternehmen bestimmt sind. Es bestehen Befürchtungen, daß in Verbindung mit weiteren Maßnahmen der Flexibilisierung der Arbeit letztlich der Status des betrieblich Beschäftigten ausgehöhlt werden könnte. Ein Abfluß von Arbeitsplätzen zu Ländern mit dem geringsten Standard des Kündigungsschutzes, der Lohnkosten und der sozialen Absicherung steht zu befürchten.