Fristlose Kündigung

 

Fristlose und außerordentliche Kündigungen

I. Voraussetzungen

1. Begriff

Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung ist berechtigt bei Vorliegen eines gesetzlich vorgesehenen Grundes, sofern sie wegen dieses Grundes ausgesprochen wird. Sie kann fristlos, aber auch mit Auslauffrist erklärt werden. Die fristlose Kündigung wird mit ihrem Zugang wirksam, die mit Auslauffrist ausgesprochene zu dem in ihr angegebenen Zeitpunkt.

2. Fortbestand des Vergütungsanspruchs

Bei außerordentlicher Kündigung (im folgenden: aoKü) so kann der Arbeitnehmer grds. einen seiner bisherigen Leistung entsprechenden Teil der Vergütung verlangen, es sei denn, der Arbeitnehmer hat selbst gekündigt, ohne seinerseits durch arbeitsvertragswidriges Verhaltes des Arbeitgebers dazu veranlaßt worden zu sein. Der Gekündigte ist jedoch zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet, wenn die Kündigung durch sein vertragswidriges Verhalten veranlaßt worden ist.

3. Modifikationen des Kündigungsrechts

a) Während eine ordentliche Kündigung vertraglich ausgeschlossen werden kann, ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung für beide Vertragsparteien unabdingbar. Dasselbe gilt, wenn eine außerordentliche Kündigung durch Vertrag unzumutbar erschwert wird, z.B. durch eine Vereinbarung, daß nur bestimmte Gründe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen sollen. b) Eine Erweiterung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung durch Arbeitsvertrag ist unzulässig, da eine solche Vereinbarung die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen und weitere Arbeitnehmerschutzbestimmungen umgehen würde.

4. Angabe des Kündigungsgrundes

a) Die Angabe des Kündigungsgrundes ist nur in Berufsausbildungsverhältnissen Wirksamkeitsvoraussetzung einer aoHü. Im übrigen hat der Kündigungsadressat jedoch einen Anspruch darauf, daß ihm die Kündigungsgründe unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden. Dadurch soll ihm die Überlegung ermöglicht werden, ob er sich zu einer gerichtlichen Überprüfung der aoKü entschließt. b) Eine aoKü ist nur zulässig, wenn im Zeitpunkt ihres Ausspruches hierfür ein wichtiger Grund bestand. Nach dem Ausspruch der entstehende Gründe können nur zur Rechtfertigung einer neuen aoKü herangezogen werden (sog. “Nachschieben von Kündigungsgründen” – die ursprüngliche Begründung der aoKü wird durch eine andere ersetzt oder erweitert). Alle Kündigungsgründe, die bei Ausspruch noch keine zwei Wochen bekannt waren, können nachgeschoben werden. Dasselbe gilt für solche Gründe, die der Kündigende erst nach Ausspruch erfahren hat. Ein Nachschieben ist unzulässig, wenn die Gründe bei Ausspruch länger als zwei Wochen bekannt waren. Nicht nachgeschoben werden können bekannte, aber dem Betriebsrat nicht mitgeteilt Kündigungsgründe. c) Die außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Wochen ausgesprochen werden und muß innerhalb dieser Frist zugehen. Nach Ihrem Ablauf wird vermutet, daß für die Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Allerdings können die verfristeten Kündigungsgründe zur Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung herangezogen werden. Die Ausschlußfrist kann nicht durch Vertrag verlängert werden. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen sichere Kenntnis erlangt. Vermutungen oder verschuldete, selbst grob fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus.

5. Kündigungsgrund

Nach § 626 Abs. 1 BGB ist ein Arbeitsverhältnis (auch: Handelsvertreterverhältnisse, Berufsausbildungsverhältnisse, Heuerverhältnisse, Heimarbeitsverhältnisse) aus wichtigem Grund außerordentlich kündbar. Ein wichtiger Grund ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigendem die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Regelmäßig geeignet, einen wichtigen Grund zu bilden, sind – Einstellungsbetrug, – dauernde oder anhaltende Arbeitsunfähigkeit, – beharrliche Arbeitsverweigerung, – beharrlicher Arbeitsvertragsbruch, – grobe Verletzung der Treuepflicht, – Verstöße gegen Wettbewerbsverbote usw. Andererseits gibt es Sachverhalte, die grds. als Kündigungsgründe ausscheiden, insbes. – Gründe, die sich nicht zum Nachteil eines Arbeitnehmers auswirken dürfen (z.B. Rasse, Geschlecht, politische und gewerkschaftliche Betätigung), und – Gründe, die der Kündigende schon zuvor gekannt hat bzw. die sich nicht nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken können oder zum Bereich des Unternehmerrisikos gehören.

6. Abmahnung

a) Der aoKü hat regelmäßig eine Abmahnung vorauszugehen. Eine Abmahnung ist die Beanstandung von Leistungsmängeln durch den Arbeitgeber unter Androhung von Folgen für den Wiederholungsfall. Hintergrund: Der Kündigende ist für die Voraussetzung des wichtigen Grundes beweispflichtig. b) Arbeitnehmer unter dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes können die Unwirksamkeit einer aoKü nur geltend machen, wenn sie innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG Klage erheben. Im übrigen können betroffene Arbeitnehmer auch noch nach Ablauf dieser Frist klagen.

II. Beispiele für wichtige Gründe (alphabetisch)

  • Anzeigen gegen Arbeitgeber sind als Treuepflichtverletzungen anzusehen, die dem Arbeitgeber das Recht zur aoKü geben können. Ausnahme: Anzeige schwerwiegender Straftaten.
  • Arbeitsbummelei, Arbeitsverweigerung – auch unverschuldete Fehlzeiten können eine ordentliche oder aoKü rechtfertigen. Bei (erheblichen) Fehlzeiten, die die Länge des Urlaubs oder der Kündigungsfrist erreichen, ist zumeist eine außerordentliche Kündigung berechtigt. Willkürliche Fehlzeiten berechtigen schon früher aoKü. Regelmäßige Unpünktlichkeit trotz mehrfacher Abmahnung kann Grund zur aoKü sein, wenn die Unpünktlichkeit den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung erreicht. Grund zur aoKü kann ferner sein, wenn sich ein Arbeitnehmer trotz Verbotes vom Arbeitsplatz entfernt oder sich eine Arbeitsbefreiung erschleicht, um einer beruflichen Nebentätigkeit nachzugehen.
  • Arbeitskampf – Teilnehmer an einem rechtmäßigen Streit können nicht fristlos entlassen werden. Anders kann es bei illegitimen Arbeitskämpfen sein, sofern der Arbeitnehmer um die Rechtswidrigkeit weiß. Die Teilnahme an Warnstreiks berechtigt nicht zur aoKü.
  • Arbeitsschutzbestimmungen – ihre wiederholte Verletzung kann die aoKü rechtfertigen. Entscheidend ist der Grad der heraufbeschworenen Gefahr, nicht der Schadenseintritt.
  • Außerdienstliches Verhalten kann die aoKü erlauben, wenn es direkt oder indirekt auf den Arbeitsvertrag zurückwirkt.
  • Beleidigung, Ausländerdiskriminierung – grobe Beleidigungen rechtfertigen eine aoKü. Anders bei privaten beleidigende Äußerungen, die dem Vorgesetzten übermittelt werden. Ausländerfeindliche Äußerungen sind grds. zur aoKü geeignet.
  • Betriebsveräußerung berechtigt nicht zur aoKü. Ebensowenig die Betriebsschließung oder vorübergehende Stillegung.
  • Druckkündigung – hat der Arbeitgeber auf Druck von dritter Seite nur die Wahl, den Arbeitnehmer zu entlassen oder schwere wirtschaftliche Nachteile hinzunehmen, wird idR eine aoKü möglich sein.
  • Konkurs – die Konkurseröffnung berechtigt nicht zur fristlosen Kündigung. Der Konkursverwalter kann jedoch bei vereinbarten längeren Kündigungsfristen das Arbeitsverhältnis mit den gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen kündigen. Der Arbeitnehmer kann seinerseits fristlos kündigen, wenn zu befürchten ist, daß Lohnansprüche nicht mehr befriedigt werden.
  • Kraftfahrer – Trunkenheit eines Kraftfahrers berechtigt idR eine aoKü. Ebenso, wenn dem Kraftfahrer der Führerschein entzogen wird oder er Fahrerflucht begeht. Unzulässig, wenn der Arbeitnehmer anderweitig eingesetzt werden kann und hiermit einverstanden ist.
  • Krankheit – eine lang andauernde oder häufige Erkrankung rechtfertigt idR noch keine aoKü. Anders bei abschreckenden, ekelerregenden oder anstreckenden Erkrankungen. Anders auch bei Simulantentum. Wer trotz “gelben Scheins” während der Krankschreibung häufig in Restaurants, Bars, bei anderweitiger Arbeit usw. angetroffen wird, kann ao. Gekündigt werden, es sei denn, dieses Verhalten sei unschädlich und die Krankheit sei nicht nur vorgetäuscht.
  • Nebenbeschäftigungen werden idR erst dann unzulässig, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage ist, seinen Arbeitspflichten zu genügen, wenn er in Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber tritt oder wenn die Nebenbeschäftigung arbeitsvertraglich ausgeschlossen ist.
  • Rauchverbot – Rauchverbote sind bei betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt mit der Folge, daß die Übertretung zur fristlosen Kündigung berechtigt.
  • Schmiergelder, Bestechung – wer unter dem Verdacht einer aktiven und passiven Bestechung steht, kann idR entlassen werden.
  • Sittliche Verfehlungen, sexuelle Belästigungen begründen idR fristlose Kündigung.
  • Spesen – Unkorrektheiten berechtigen im allgemeinen zur regelmäßig aoKü.
  • Straftaten, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses begangen sind, rechtfertigen eine aoKü nur dann, wenn sie sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken, z.B. Vermögensdelikte eines Angestellten in Vertrauensstellung, Diebstähle im, grobe Verkehrsdelikte eines Kraftfahrers usw. Anders bei Straftaten während des Arbeitsverhältnisses, sofern diese nicht ganz geringfügig sind. Schwarzfahrten mit betriebseigenen Pkws rechtfertigen die außerordentliche Kündigung, wenn der Arbeitgeber diese ausdrücklich verboten hat und die Einhaltung des Verbotes streng überwacht. Bei Mißbrauch von Kontrolleinrichtungen (Stempeluhrengilt dasselbe. Wird ein Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen oder zum Strafantritt geladen, so wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich, so daß eine aoKü idR berechtigt ist.
  • Tätliche Auseinandersetzungen im Betrieb rechtfertigen grds. die aoKü.
  • Telefonate können, wenn sie privat und unerlaubt geführt werden, nach wiederholter Abmahnung zur fristlosen Kündigung führen. Ortsgespräche zur Erledigung von Besorgungen sind jedoch zulässig. Die unerlaubte Anfertigung von Fotokopien berechtigt zur aoKü nur, wenn sie ausdrücklich verboten ist und die Einhaltung des Verbots streng überwacht wird.
  • Trunk- und Drogensucht rechtfertigt eine aoKü, wenn das Arbeitsverhältnis berührt ist. Berechtigt ist jedoch die fristlose Kündigung bei Alkoholgenuß im Betrieb, wenn er von den übrigen Arbeitnehmern bemerkt und beanstandet wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Leistung gemindert und die Unfallgefahr erhöht wird.
  • Urlaub – eigenmächtiger Urlaubsantritt berechtigt grds. zur aoKü. Ebenso unbefugte Urlaubsüberschreitungen, wenn sie nicht unverschuldet sind.
  • Verschwiegenheitspflicht – der Arbeitnehmer darf strafbare Handlungen seines Arbeitgebers idR nicht anzeigen. Berechtigt ist eine aoKü u.a. dann, wenn ein Angestellter unrichtige Behauptungen über die wirtschaftliche und finanzielle Lage seines Arbeitgebers verbreitet und diesem dadurch Nachteile erwachsen.
  • Wettbewerb – während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses besteht ein Wettbewerbsverbot; eine aoKü bei Wettbewerbsverstößen kann daher berechtigt sein. Allerdings ist es zulässig, bereits während des Arbeitsverhältnisses die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vorzubereiten.