Die Rechtslage bei Filesharing, Streaming und Framing; Verhalten bei Abmahnungen

 

RA und Fachanwalt IT-Recht Dr. Jens Bücking, Stuttgart


Teil 1: Filesharing

Filesharing wird zumeist von Kindern und Jugendlichen betrieben, die der Verlockung, Musik, Filme und Spiele kostenlos auszutauschen, unterliegen. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich hieraus eine florierende „Abmahnwirtschaft“ entwickelt, die mit standardisierten Schriftsätzen und Einigungsangeboten insbesondere auch die Eltern, denen das Verhalten ihrer minderjährigen Kinder nur allzu oft unangenehm ist und die daher in eine schnelle finanzielle Lösung einwilligen, in eine generelle Haftung nehmen will.

Mitunter werden sämtliche Einzeltitel einer CD / DVD nacheinander kostenpflichtig abgemahnt und / oder es behaupteten Mehrere ein ausschließliches Recht an ein- und demselben Werk (dazu noch unten).

Der Inanspruchnahme von verantwortungsvollen Eltern, die ihre Kinder in die Gefahren und Fallstricke des grenzenlosen Datenaustauschs im Internet einweisen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 15.11.2012 (I ZR 74/12) Grenzen gesetzt. Nach Ansicht des höchsten deutschen Zivilgerichts genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein altersgerecht entwickeltes Kind (im Streitfall: von 13 Jahren) dann, wenn sie über das Verbot einer rechtwidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Überwachungspflicht in Bezug auf die Internetnutzung oder gar eine Verpflichtung zu einem Blocken von Webseiten bestehe grundsätzlich nicht ohne konkrete Anhaltspunkte für rechtsverletzendes Nutzungsverhalten durch das Kind.

Trotz aller Unwägbarkeiten im jeweiligen Einzelfall – was ist eine hinreichende elterliche Einweisung, was bedeutet altersgerecht, was sind konkrete Anhaltspunkte? – ist damit im Umkehrschluss zugleich (nochmals) gestellt, dass derlei Pflichten jedenfalls nicht gegenüber volljährigen Familienmitgliedern bestehen.

In der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urteil v. 12.05.2010, Az. I ZR 121/08) war es demgegenüber um einen anderen Sachverhalt gegangen, nämlich – vereinfacht dargestellt – um die Fragen nach der Beweislast, dem Schadensersatz und ob ein WLAN-Anschluss auf seinen hinreichenden Schutz durch Sicherungsmaßnahmen gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte geprüft werden muss. Die BGH-Entscheidung wird von der „Abmahnwirtschaft“ regelmäßig als Hinweis auf eine Beweislastumkehr und das bestehen von Unterlassungsansprüchen sowie – und hierauf scheint es oft primär anzukommen – die Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten angeführt. Der BGH hatte entschieden, dass Privatpersonen auf Unterlassung, nicht dagegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können, wenn ihr nicht ausreichend gesicherter WLAN-Anschluss von unberechtigten Dritten – in der zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation während der Urlaubszeit – für Urheberrechtsverletzungen im Internet genutzt wird. Der BGH hatte hierzu ausgeführt, dass zwar eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer nicht in Betracht komme; auch privaten Anschlussinhabern obliege aber eine Prüfungspflicht, ob der WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen geschützt sei. Im Privatbereich könne dem WLAN-Nutzer nicht zugemutet werden, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel anzuwenden. Allerdings beziehe sich die Prüfpflicht dann auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation  des WLAN-Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen. Hierzu genüge es nicht, es bei den werkseitigen Standartsicherheitseinstellungen zu belassen und das Passwort nicht durch ein persönliches Passwort zu ersetzen. Dies sei üblich und zumutbar, liege im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer und sei mit keinem Mehrkostenaufwand verbunden. Im Streitfall hatte der Beklagte daher nach den Grundsätzen der sogenannten „Störerhaftung“ auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten schon nach der ersten über den WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung einzustehen. (Nach dem inzwischen geltenden Urheberrecht ist in der Rechtsprechung streitig, ob die neue Abmahnkostendeckelung von 100 EUR bei einer geringfügigen urheberrechtwidrigen Verbreitung – etwa eines einzelnen Songs – eingreift). Hingegen bestehe keine Schadensersatzpflicht, wenn der Störer das fragliche Werk nicht selbst im Internet zugänglich gemacht oder einem anderen mit entsprechendem Gehilfenvorsatz Unterstützung geleistet habe.

Ebenfalls zu beobachten ist die Tendenz einiger “Abmahnkanzleien”, dass zeitlich aufeinanderfolgend mehrere kostenpflichtige Abmahnungen für jeweils einen Musiktitel – in der Regel nach Erledigung der jeweils vorigen – ausgesprochen werden, was jedenfalls dann, wenn es sich ersichtlich um einen einheitlichen “Filesharing-Lebenssachverhalt” handelt, rechtsmissbräuchlich sein dürfte.

Jüngst hinzu gekommen scheint die Eigentümlichkeit, dass mehrere Kanzleien ihr Mandat anzeigen für eine Verletzung desselben Werktitelrechts (Musik, Film, Spiel), jedoch mit unterschiedlichen Verletzten; her stellt sich also die Frage, wie an ein- und demselben Titel mehrere Inhaber das ausschließliche Recht reklamieren können.

 In beiden Konstellationen ist ein äußerst vorsichtiges Vorgehen angeraten.


Teil 2: Streaming

Viele Film- und Videoportale bieten Nutzern die Möglichkeit, mitunter sogar schon vor, jedenfalls zumeist bereits kurz nach der offiziellen Veröffentlichung Filmwerke über Internet kostenfrei anzuschauen.

 Von der technischen Funktionsweise muss man Live-Streaming von On-Demand-Streaming unterscheiden. Live-Streaming betrifft in der Regel Übertragungen von Sportereignissen direkt über die Website des Senders, und unabhängig vom Server. Beim On-Demand Streaming kann der Nutzer auf seinen individuellen, aktiven Abruf hin sich die Daten zum Betrachten auf sein Endgerät laden, vor- oder zurückspulen und gegebenenfalls auch lokal dauerhaft speichern.

Bekanntestes Beispiel für On-Demand-Streaming ist YouTube. Notwendig ist hier also eine Zwischenspeicherung auf dem Endgerät vor dem eigentlichen Abspielen.

 Der Anbieter von kostenfreien und uneingeschränkt von der Internet-Nutzergemeinde abrufbaren Streaming-Angeboten nimmt eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von § 19 a Urheberrechtsgesetz vor. Dieses Recht steht grundsätzlich nur dem Urheber selbst zu, § 15 Abs. 2 Nr. 2 Urheberrechtsgesetz. Für ihn bedürfte es daher zwangsläufig einer entsprechenden Rechteeinholung vom Rechteinhaber.

 Für die Nutzer selbst würde bei den On-Demand-Angeboten die technisch notwendige Vervielfältigung durch Zwischenspeicherung zunächst zu der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz führen, wonach das Recht, Vervielfältigungen von Werken herzustellen, beim Urheber liegt. Grundsätzlich würde es hier auch keine Rolle spielen, ob der Film vorübergehend oder dauerhaft gespeichert wird.

Demnach würde eine Verletzungshandlung des Nutzers vorliegen. Dies ist allerdings umstritten. Eingewandt wird hiergegen, dass Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch erstellt werden dürften, dies mit Blick auf das sogenannte „Recht auf Privatkopie“ des § 53 Abs. 1 Satz 1 Urheberrechtsgesetz. Die Vorschrift lautet:

§ 53: Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch

(1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.“

Wichtig ist hier die Einschränkung, dass die Kopie nicht auf einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Vorlage beruht.

Der Portalbetreiber selbst begeht, wenn er sich nicht die entsprechenden Rechte vom Urheber bzw. der Verwertungsgesellschaft hat einräumen lassen, eine Urheberrechtsverletzung. Die Vervielfältigung durch den Nutzer würde demnach hieran anknüpfen und gleichfalls eine Urheberrechtsverletzung bedeuten. Allerdings kann § 53 Urheberrechtsgesetz, das Recht an der Privatkopie, eingewandt werden, wenn sich dem Nutzer nicht aufdrängen muss, dass es sich um eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage handelt.

Hier ist die Rechtsprechung im Fluss. Bei Filmwerken vor Veröffentlichung, kurz nach Erscheinen oder (wohl) auch wenn das Filmwerk erst kürzlich auf DVD erschienen ist, dürfte von einer solchen Offensichtlichkeit auszugehen sein.

 Allerdings muss zusätzlich § 44 a Urheberrechtsgesetz beachtet werden, der besagt:

§ 44a Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen

Zulässig sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist,

1.

eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder

2.

eine rechtmäßige Nutzung

eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.

Diese Definition scheint auf die nur flüchtig und technisch bedingt zwischengespeicherten Vervielfältigungen auf den Endgeräten der Nutzer zuzutreffen. Diese sind flüchtig und begleitend. Demnach wäre die Nutzung von kostenlosen Filmportalen zulässig.

Allerdings gilt es hier die weitere Rechtsprechung der Instanzgerichte und – eines Tages – eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten. Die zuvor geschilderte Rechtslage betrifft im Übrigen auch nur die Zwischenspeicherung auf dem privaten Endgerät des privaten Nutzers. Werden die Filme durch eigenständige Programme heruntergeladen, abgespeichert und für die weitere Nutzung verwaltet, dürfte die Rechtslage anders aussehen. Auch das DivX-Format, das Filme automatisch auf der Festplatte in einem temporären Downloadordner speichert, der erst nach und nach systembedingt diese Dateien in den Papierkorb schiebt und schlussendlich löscht, würde vermutlich als im Rechtssinne dauerhafte Speicherung nicht zu einer Anwendbarkeit des § 44 a Urheberrechtsgesetz führen können.

Die Rechtsunsicherheit durch bislang ausstehende ober- geschweige höchstrichterliche Rechtsprechung sollte jeden Nutzer zu einer deutlichen Zurückhaltung bewegen. Urheberrechtsverletzungen können sowohl zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Ersteren Falls wird – in der Regel nach vorheriger Abmahnung – der Nutzer zur Unterlassung, ggf. Schadensersatz und Erstattung der für die Rechtsverfolgung notwendigen Kosten (der sogenannten „Abmahnkosten“) aufgefordert, letzteren Falls leitet ggf. die zuständige Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren ein, das in einer öffentlichen Strafverhandlung münden kann.

Denn beispielsweise gegen § 44 a Urheberrechtsgesetz könnte eingewandt werden, dass eben nur eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes ermöglicht werden soll. Im ersten Fall, bei dem es nicht auf eine rechtmäßige Nutzung ankommt, würde lediglich der Vermittler, also in der Regel der Zugangsprovider, in den Genuss der gesetzlichen Haftungsprivilegierung gelangen, nicht jedoch der Nutzer selbst, da er durch seine eigenständige Vervielfältigungshandlung den Zweck verfolgt, das durch den Vermittler flüchtig vervielfältigte Werk auf seinem eigenen Nutzerdisplay zu betrachten. Im zweiten Fall ist eine rechtmäßige Nutzung Voraussetzung für die Privilegierung. Bei offensichtlich rechtswidrigen Streaming-Angeboten dürfte es hieran fehlen. Auch ist die Frage des Fehlens einer eigenständigen wirtschaftlichen Bedeutung zumindest diskutabel