XIV. Verwechselungsfähigkeit und Unterscheidungskraft zwischen Marke und Domain

RA und Fachanwalt IT-Recht Dr. Jens Bücking, Stuttgart

 

Wie gesehen verlangt das MarkenG, dass aufgrund der (insbesondere grammatikalischen oder phonetischen) Identität oder Ähnlichkeit der beanstandeten Domains mit den durch das MarkenG geschützten Marken, Unternehmenskennzeichen, Werktiteln oder geographischen Herkunftsangaben (Verwechslungsfähigkeit) und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die genannten Kennzeichen oder die Domain erfassten Waren, Dienstleistungen oder Geschäftsbereiche (Verwechslungsgefahr) für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Und auch im Bereich des Namensschutzes setzt § 12 BGB voraus, dass die Gefahr einer Identitätstäuschung besteht. Über § 12 BGB soll demnach auch eine Zuordnungsverwirrung vermieden werden, wozu auch das Entstehen einer Verwechslungsgefahr zählt. Es stellt sich daher die Frage, auf welche Bestandteile der vollständigen Domainadresse (z. B. „http://www.xyz-gmbh.mobi“) bei der im Rahmen der Verwechslungsprüfung vorzunehmenden Gegenüberstellung von geschütztem Zeichen und beanstandeter Domain abzustellen ist:

Bedeutung der Top Level Domain

Die Gerichte hatten hierbei insbesondere zu klären, ob die Unterschiedlichkeit insbesondere der Top Level Domains „.de“ und „.com“ eine Verwechslungsgefahr zwischen unterschiedlichen Namensträgern ausschließt. Dies wird überwiegend verneint mit dem Argument, der Top Level Domain komme keine eigenständige Unterscheidungskraft zu.

Weniger einheitlich in Bezug auf die (fehlende) Unterscheidungskraft und Kennzeichnungsfunktion der Top Level Domain ist die Rechtsprechung bei Gebietskörperschaften, insbesondere Städtenamen. Gängige Ausweichdomains zu „.com“, wie etwa die Top Level Domains „.info“, „.biz“ oder „.name“ begründen vor dem Hintergrund der Frage, ob auch den im Rahmen der Top Level Domains verwendeten Suffixen Unterscheidungskraft zukommt, Zweifel an dem Vorliegen einer Verwechslungsgefahr.

Von dem Grundsatz, dass die Verwendung der Top Level Domain für die Verwechslungsgefahr regelmäßig keine Bedeutung hat, muss jedenfalls dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn die Top Level Domain in kennzeichnender Weise eingesetzt wird. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn erst aus der grammatikalischen Verknüpfung der Second Level Domain – und der Top Level Domain-Ebene die Gefahr von Verwechslungen – im Beispielsfall: mit dem Inhaber des Kennzeichens „Xtranet“ durch die Domain „x-tra.net“ – heraufbeschworen wird.

Bedeutung von Subdomains, Email-Adressen und Verzeichnisnamen

Es wird angenommen, dass auch eine Subdomain, d. h. eine Rechneradresse unterhalb des zweiten Levels der eigentlichen Domain (im Beispiel „www.stuttgart.ihk.de“ wäre „Stuttgart“ die Third Level Domain für die IHK Region Stuttgart; im Beispiel „www.ihk.de/stuttgart“ wäre „stuttgart.html“ der über die Homepage der IHK ansteuerbare Verzeichnisname, z. B. für die Daten über die IHK in der Region Stuttgart), je nach Lage des Einzelfalles, Kennzeichnungsfunktion besitzen kann. In der Regel soll diese Funktion allerdings umso mehr abnehmen, je weiter diese Domain vom Bezeichnungskern, der aus Top Level Domain und Second Level Domain besteht, entfernt ist. Demnach kann die Kennzeichnungsfunktion von Second Level Domain und Top Level Domain für verschiedene Rechtspersonen nebeneinander bestehen (fiktive Beispielskette: die Domain „www.baden-württemberg.de“ prägt der Name des Bundeslandes; „www.stuttgart.baden-württemberg.de“ wird von Land und Kommune geprägt; bei „www.muenchingen.stuttgart.baden-württemberg.de“ schließlich stünden drei „Namen“ im Rechtssinne nebeneinander: Land, Hauptstadt, Stadtteil). Nötig ist sonach immer eine Gesamtschau sämtlicher Elemente. Soll der Ort beispielsweise ersichtlich nur erläuternd in Bezug auf eine Filiale oder Regionaldirektion sein („www.stuttgart.ihk.de“), dürfte bei objektiver Bewertung keine Verwechslungsgefahr vorliegen.

Unterscheidungskraft der Second Level Domain für den Gebrauch der Third Level Domain wird dabei allerdings teilweise mit dem Argument abgelehnt, dass sonst bei Verneinung von Verwechslungsgefahr Anbieter gezwungen wären, zu benutzerunfreundlichen längeren Domainnamen überzugehen. Jeder Domain-Level wäre hiernach isoliert auf Unterscheidungskraft, Verwechslungsfähigkeit und konkrete Verwechslungsgefahr zu bewerten.

Ausgangspunkt muss stets die Frage sein, ob die Adresse zugleich Namensfunktion hat, also einen Bezeichnungskern aufweist, der der Identifizierung eines Rechtssubjekts dient, und ob durch den Gebrauch der Adresse durch einen Dritten bei den Nutzern des Internets die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung zwischen dem tatsächlichen Rechtsträger und dem vermeintlichen Kennzeicheninhaber entsteht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht zwar für die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus, dass eine Verwechslung bei der Postzustellung möglich ist. Dies ist bei der E Mail freilich in tatsächlicher Hinsicht nicht zu besorgen. Denn E-Mails, die nicht als „Spam“ zu qualifizieren sind, werden in aller Regel nicht ohne Kenntnis der exakten Adresse verschickt. Andererseits soll es zur Begründung einer Verwechslungsgefahr bereits genügen, dass eine mündlich mitgeteilte Domainadresse phonetisch einem Kennzeichen besserer Priorität so sehr ähnelt, dass deren Eingabe zum irrtümlichen Abruf der Website des Schutzrechtsinhabers führt, wodurch der Verkehr organisatorische Zusammenhänge vermuten könnte. Dann müsste dasselbe Argument freilich auch für die mündlich verbreitete E-Mail-Adresse gelten. Mit dem Bundesgerichtshof wiederum gilt, dass die Benutzung einer von dem Domainnamen abgeleiteten E-Mail-Adresse von einem Verbot der Domainnutzung ebenfalls erfasst würde. Eine Untersagung kann jedoch nur in Betracht kommen, wenn sich bereits bei isolierter Verwendung der beanstandeten E-Mail-Adresse eine selbständige Verwechslungsgefahr ergibt. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn der Inhaber einer E-Mail-Adresse auf diese erst auf dem Briefkopf oder auf einer Visitenkarte – im Zusammenhang mit weiteren Namens- und Adressenangaben – hinweist.

Weitgehend ungeklärt ist die Frage der Verzeichnisnamen. Teilweise wird hier eine Kennzeichenverletzung angenommen, da es keinen Unterschied mache, ob der Namensbestandteil der URL wie eine Second Level Domain durch ein Registrierungsverfahren vergeben werde oder der Domaininhaber die Verzeichnisse selbstständig einrichte. Es komme auf den prägenden Bestandteil der Gesamt-URL an. Nach anderer Ansicht liegt keine kennzeichnende Benutzung vor: Die Verwendung gerade als Verzeichnisname schließe dies – und auch eine unredliche Umleitung der Internetnutzer – aus.