XXII. Domainnamen als Ausdruck der Meinungs- und Pressefreiheit?
RA und Fachanwalt IT-Recht Dr. Jens Bücking, Stuttgart
Außer im Falle des § 23 MarkenG, den die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Domainnamen indes – wie bereits dargestellt (Serie, Ziff. XIII) – überwiegend ablehnt, kann eine lautere Verwendung eines geschützten Zeichens in engen Grenzen auch aufgrund einer Interessenabwägung im Rahmen von Art. 5 GG in Betracht kommen.
Das kann etwa der Fall sein, wenn an dem Gebrauch des Domainnamens einerseits ein schützenswertes Meinungsbildungs- bzw. Aufklärungsinteresse besteht und andererseits der Inhaber in der geschäftlichen Nutzung des Zeichens nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt wird, insbesondere weil eine Zuordnungsverwirrung angesichts der eindeutigen Angaben auf der Website selbst oder in den Seitenbeschreibungen der Suchmaschinen ausgeschlossen erscheint. In einer solchen Konstellation kann die Namensverwendung durch die Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt sein, und zwar je nach den Umständen auch in blickfangartiger Wiedergabe. Eine besondere inhaltliche Gestaltung einer Verlautbarung zur Erzielung einer größeren Öffentlichkeit steht nämlich unter dem Schutz des Art. 5 GG.
Auch bei Vorhandensein eines journalistischen Dokumentationsinteresses muss jedoch der Domainname so gewählt werden, dass deutlich wird, dass die darunter abrufbare Internetpräsenz nicht vom Namensträger selbst stammen.
Andererseits kann in der Domainbezeichnung selbst bereits eine Persönlichkeitsrechtsverletzung bzw. – im gewerblichen Bereich – ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, beispielsweise in Gestalt der – von Art. 5 Abs. 1 GG nicht mehr gedeckten – Schmähkritik oder der Markenverunglimpfung liegen. Wer etwa im Internet ein Diskussionsforum anbietet, in dem unzufriedene Nutzer sich über die Leistungen eines bestimmten Unternehmens beklagen können, fördert damit zumindest die geschäftlichen Interessen der Mitbewerber und handelt damit im geschäftlichen Verkehr. Die reine Domainbezeichnung an sich stellt freilich im Regelfall weder eine wahre noch unwahre Tatsachenbehauptung dar. Daher ist zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Domainbezeichnung auf den hierunter abrufbaren Inhalt abzustellen.
Von Schmähkritik wiederum ist erst auszugehen, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Kritisierten im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Ein Gewerbetreibender muss sich kritische Einschätzungen seiner Tätigkeit allerdings in der Regel gefallen lassen.