XXIII. Das Vertragskonstrukt der DE-Domainvergabe
RA und Fachanwalt IT-Recht Dr. Jens Bücking, Stuttgart
Bei der deutschen Vergabestelle DENIC können Domainanmeldungen zwar auch direkt durch den Kunden selbst vorgenommen werden, der Regelfall ist jedoch die im Auftrag des künftigen Inhabers erfolgende Registrierung über einen Provider bzw. ein DENIC-Genossenschaftsunternehmen. Hinsichtlich der Bereitstellung einer Domain für den Endkunden stehen die Genossen zueinander uneingeschränkt in Wettbewerb. Der eigentliche Vertrieb der Domains liegt demnach bei wirtschaftlicher Betrachtung in den Händen der Genossen. Dies wirft die Frage nach Zustandekommen, Rechtsnatur und Zuordnung der „Dreiecksbeziehung“ zwischen DENIC, seinen Genossen und dem Endkunden auf:
Ausnahme: Direktvertrag
Beim Service „DENIC direct“, bei dem der Kunde seinen Registrierungsantrag unmittelbar, also ohne Zwischenschaltung eines DENIC-Mitglieds an die Registratur richtet, kann kein Zweifel an einer direkten Vertragsbeziehung zwischen DENIC und dem Kunden bestehen. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Mischtypus aus werk- (Registrierungsvorgang zur anschließenden Bereitstellung einer konnektierten DE-Domain) und dienstvertraglichen (Verwaltung der Namensdatenbanken, Auskunftsdienste hinsichtlich vergebener Domains, deren Inhabern usw.) Elementen. Bei Eigenregistrierungen durch Genossen der DENIC eG zum Zwecke der anschließenden (entgeltlichen) Weitergabe an den Endkunden verhält es sich entsprechend umgekehrt: Ein Vertragsverhältnis kann aus der objektivierten Sicht des Erklärungsempfängers DENIC nur zu seinem (antragstellenden) Mitglied zustande kommen.
Regelfall: Bestellung über „zwischengeschaltete“ Genossen
Anders verhält es sich indes bei der weitaus häufigeren Registrierungsform unter Zwischenschaltung eines (genossenschaftlich mit DENIC verbundenen) Providers, der den Registrierungsantrag seines Kunden an die Registratur weiterreicht und dabei zumeist als Erklärungsbote oder Vertreter – je nach Vertragsgestaltung – auftreten wird: Die Mehrzahl der Genossen verwendet in ihren AGB so genannte „Vermittlungsklauseln“, in denen auf den Umstand der bloßen (Kontakt erleichternden) Vermittlung des Leistungsbildes „Domainregistrierung“ hingewiesen wird, mit der Folge, dass allein DENIC und der jeweilige Endkunde im Verhältnis zueinander berechtigt und verpflichtet werden.
Hiernach wird im Zweifel ein direktes Vertragsverhältnis zum Endkunden begründet, und zwar nach Maßgabe der von diesem individuell mit seinem Provider, dem jeweiligen DENIC-Genossen, vereinbarten Tarife. Nur folgerichtig ist es daher, dass der Genosse einem Wunsch seines Kunden, mit seiner Domain zu einem anderen Provider zu wechseln, nicht über sein Gebühreninteresse hinaus (§ 273 BGB) entgegentreten kann. Denn in Ansehung dieser Domain unterhält deren Inhaber nur zu DENIC eine Vertragsbeziehung.
Der Provider wird seinerseits regelmäßig im Rahmen eines Auftrags- (§§ 662 ff. BGB) oder – bei Entgeltlichkeit (bereits) der Domain-Verschaffungsleistung als solcher – Geschäftsbesorgungsverhältnisses (§§ 675, 611 BGB) nach Weisung des Kunden tätig und fungiert insoweit bei der Abfassung des Antragsformulars als Erklärungsbote oder Stellvertreter, je nach Ausgestaltung des „Domain-Besorgungsvertrages“.
Vertragsinhalt; Gegenstand des „Domainrechts“
Das vertragliche Nutzungsrecht aus einem Domainregistrierungsvertrag ist ein über Art. 14 GG geschütztes eigentumsgleiches Recht. Es findet seine Schranken insbesondere in Spezialgesetzen wie dem Marken- und Namensrecht. Der Inhaber erwirbt weder das Eigentum an der Internetadresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre, wie das Bundesverfassungsgericht in der „ad-acta.de“-Entscheidung klarstellt. Vielmehr erhalte er als Gegenleistung für die an DENIC zu zahlende Vergütung das Recht, für seine IP-Adresse eine bestimmte Domain zu verwenden – und damit ein relativ wirkendes, vertragliches Nutzungsrecht, wobei die unbestimmte Vertragsdauer verbunden mit den vorgesehenen Kündigungsmöglichkeiten auf den Charakter des Rechtsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis hinwiesen. Dieses Nutzungsrecht stelle einen rechtlich geschützten Vermögenswert dar. Es sei dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache. Mit Abschluss des Registrierungsvertrages erhalte der Anmelder einen Anspruch auf Registrierung nach Maßgabe der DENIC-Registrierungsbedingungen und -richtlinien, gerichtet auf Eintragung der Domain in das DENIC-Register und den Primary Nameserver. Aus diesem Dauerschuldverhältnis schulde DENIC dem Anmelder nach der erfolgten Konnektierung insbesondere deren dauerhafte Aufrechterhaltung.
Vergaberichtlinien
Die DENIC eG zeichnet sich in ihren Vergaberichtlinien von einer Verantwortung in Namenskonflikten frei. Gleiches gilt für jedwede Haftung aus leichter Fahrlässigkeit. Im Übrigen beschränkt sie ihre Haftung auf vorhersehbare Schadensfolgen. Gleichfalls enthalten ist eine Freistellungsklausel, wonach die DENIC eG, sollte sie in Bezug auf die Domain oder deren Benutzung in Anspruch genommen werden, durch den Inhaber der streitgegenständlichen Domain von sämtlichen Kosten und nachteiligen Folgen der Inanspruchnahme frei zu halten ist. Der Inhaber hat sich mit allen Maßnahmen einverstanden zu erklären, die DENIC zur Vollziehung von Anordnungen oder vollstreckbaren Entscheidungen aufgegeben werden.
Ob solche Klauseln im Verhältnis zum Anmelder (als späteren Inhaber der Domain) beachtlich sein können, erscheint jedoch fraglich. Rechtlich handelt es sich dabei um AGB. Diese richten sich zwar nach Erscheinungsbild und Inhalt an den Endkunden. Doch im Regelfall wird die Domain wie gesehen nur unter Vermittlung eines Providers an einen DENIC-Genossen weitergegeben. In diesen Fällen wären die Vergabebestimmungen jedenfalls nach AGB-rechtlichen Grundsätzen nicht wirksam in das Rechtsverhältnis zum (nicht-kaufmännischen) Domaininhaber einbezogen.