XXV. Der Domain-Rechtsstreit

RA und Fachanwalt IT-Recht Dr. Jens Bücking, Stuttgart

 

Die im Rahmen dieser Serie behandelten Abwehransprüche des in seinen Rechten Verletzten sind gerichtet auf Unterlassung (§§ 3 bis 5, 8 UWG.), Unterlassung und Beseitigung der Störung (letzterenfalls bedeutet dies im Ergebnis die Freigabe der Domain §§ 12, 1004 BGB, §§ 14, 15 MarkenG) sowie – in Fällen schuldhaften Handelns – auf Schadensersatz (§§ 823 Abs. 1, 12 BGB, § 826 BGB, §§ 14 Abs. 6, 15 Abs. 5 MarkenG, § 9 UWG). Unterlassungsansprüche werden häufig im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt und richteten sich zumeist gegen den unmittelbaren Verletzer, d. h. das Unternehmen, welches die fremde Kennzeichnung für sein Internetangebot nutzt, den Provider, soweit die streitgegenständliche Domain von diesem gehalten und nur zur Nutzung einem Dritten als eigentlichem Anbieter weiterüberlassen wird, in weniger häufigen Fällen aber auch gegen den so genannten „Admin-c“ (für: „administrative contact“) als verschuldensunabhängigen „Störer“, der auf Unterlassung haftet. Die Frage des richtigen Anspruchsgegners wird in der instanzgerichtlichen Judikatur bedauerlicherweise nicht einheitlich beantwortet:

  1. Anspruchsgegner

Anspruchsverpflichtet ist zunächst der Domaininhaber als unmittelbarer Verletzer. Allerdings ist Vorsicht geboten: Die bloße formale Position der Registrierung eines selbst nicht zur Führung des Kennzeichens oder Namens befugten Domaininhabers allein eröffnet noch nicht ohne Weiteres Unterlassungsansprüche, wenn ein Treuhandverhältnis zu dem materiell an dem Kennzeichen Berechtigten vorliegt. Denn materiell „Inhaber“ einer namensmäßig gebildeten Domain kann nicht nur der Namensträger selbst, sondern auch ein von ihm Beauftragter zu seinen Gunsten sein. Folgerichtig ist eine treuhänderische Verwaltung für einen Dritten möglich, so dass sich der Treuhänder gegenüber einem Anspruchsteller auf die Namensrechte des Treugebers berufen kann.

Erfolgt die Registrierung jedoch nur im Auftrag eines Namensträgers, müssen andere Träger desselben Namens zuverlässig und einfach (z.B. anhand der Homepage-Inhalte) überprüfen können, wer der tatsächliche (materiell-rechtliche) Inhaber der Domain ist. DENIC kann in diesen Fällen dem Treuhänder im Zuge der Registrierung die Möglichkeit einräumen, einen Hinweis auf seine Treuhänderstellung und den Treugeber zu hinterlegen, und diese Information (nur) mit Zustimmung des Treuhänders offenbaren.

Anders bei einer Markenlizenz, die kraft Natur der Sache für Dritte niemals einfach und zuverlässig überprüfbar ist. Die Markenlizenz gewährt nämlich auch ohne Eintragung das volle Recht zur Nutzung der Marke im geschäftlichen Verkehr. Der Verkehr muss also hier auch ohne jeden Anhaltspunkt immer damit rechnen, dass der jeweilige Benutzer als Lizenznehmer des eingetragenen Markeninhabers hierzu berechtigt ist. Dies hat laut Landgericht Bremen auch derjenige hinzunehmen, der einen mit dem Markenzeichen identischen Namen trägt.

  1. (Mit-) Störerhaftung der technisch-administrativ Mitwirkenden

Umstritten ist auch die Unterlassungshaftung von „Admin-c“, „Tech-c“, (Host-, Zone- etc.) Providern und Suchmaschinenbetreibern: Soweit nach Maßgabe der Grundsätze zur Störerhaftung (tatsächlich und rechtlich) möglich und – im Sinne einer Überprüfungsobliegenheit – auch zumutbar, kann die Unterlassung ggfls. des Weiteren vom „Admin-C“, nach Ansicht einzelner Gerichte sogar vom „Tech-C“ verlangt werden. Die gebotene strikte Trennung der Haftung für die durch die Domain selbst nur vermittelte Rechtsverletzung einerseits und für die hierunter abrufbaren Webseiteninhalte andererseits wird in der instanzgerichtlichen Judikatur bedauerlicherweise oft vermengt:

a) Haftung in Ansehung der Domainbezeichnung

Da nach den DENIC-Registrierungsrichtlinien der administrative Ansprechpartner („Admin-C“) als Bevollmächtigter des Domaininhabers berechtigt und verpflichtet ist, sämtliche die Domain betreffende Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden, hat der „Admin-C“ dadurch, dass er mit seinem Willen als Kontaktperson bei der DENIC angegeben wurde, einen Tatbeitrag geleistet. Zudem hat er aufgrund der Registrierungsbedingungen auch die rechtliche Möglichkeit, auf den Eintragungsinhalt einzuwirken, so dass er andererseits auch haftet. Eine andere Handhabung wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn es sich beim „Admin-C“ um eine abhängige Hilfsperson handelte, die lediglich eine untergeordnete Stellung in einem fremden Unternehmen innehätte. Werden derartige Umstände jedoch nicht vorgetragen, verbleibt es bei der Haftung des „Admin-C“, insbesondere wenn der Inhaber unerreichbar oder – z. B. bei Firmenliquidation – nicht mehr existent ist.

Vergleichbares kann gelten bei der Blanko- bzw. Generalübernahme des Admin-Mandats für eine unbestimmte Vielzahl von Domains. In diesem Falle haftet der „Admin-C“ nach den allgemeinen Grundsätzen der Störerhaftung, deren Voraussetzungen nach Ansicht einzelner Gerichte jedenfalls dann vorliegen, wenn eine Person sich gegenüber einem ausländischen Unternehmen, dessen Unternehmenszweck die Eintragung einer Vielzahl inländischer Domains ist, bereit erklärt, als „Admin-C“ zu fungieren, ohne sicherzustellen, dass er Kenntnis von der jeweiligen – rechtsverletzenden – Domaineintragung erhält.

Die Passivlegitimation des „Admin-C“ ist freilich hoch umstritten. Für einige Gerichte ist er lediglich Ansprechpartner der DENIC und als solcher im Prozess um die Unterlassung der Verwendung einer Domain nicht passiv legitimiert. Demnach  haftet der „Admin-C“ vor Erhalt positiver Kenntnis für Marken- oder Wettbewerbsverletzungen nicht als Mitstörer. Soweit der „Admin-C“ erstmals im Zuge der Domainregistrierung befasst werde, erscheine es angesichts seiner Funktion und Aufgabenstellung unzumutbar, ihm in Zusammenhang mit dem einzutragenden Domainnamen stehende Prüfungspflichten auf potentielle (Kennzeichen-) Verletzungen aufzuerlegen.

Oftmals werden die Funktionen des „Admin-C“ und des „Tech-C“ vom Service Provider des Inhabers wahrgenommen. Dieser ist nach Ansicht des Landgerichts Bremen jedenfalls dann markenrechtlicher Störer, wenn sein Kunde für den Verletzten nicht erreichbar ist.

Umstritten ist auch die Frage der Mitstörerhaftung des „Domain Name Server-Betreibers“, des so genannten „Zone-C“:  Nach Ansicht einzelner Gerichte bildet die über eine reine Auskunftserteilung bezüglich der Verfügbarkeit eines Domainnamens hinausgehende Mithilfe und Mitwirkung eines Domain Service Providers bei der Domainregistrierung (Vermittlung) einen kausalen Beitrag zu einer durch die Inanspruchnahme und Registrierung der Domain verwirklichten Namensrechtsverletzung. Nach anderer Ansicht kommt eine Haftung erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die Rechtsverletzung offenkundig und ohne Weiteres feststellbar sei.

b) Haftung in Ansehung der mit der Domain adressierten Inhalte

Anspruchsverpflichtet ist jedoch keinesfalls der Betreiber einer Suchmaschine, die die Domain auch nach der an den Inhaber verfügten Unterlassung noch vollautomatisch als Treffer aufführt, folgerichtig auch nicht der vom Suchmaschinenbetreiber eingesetzte „Admin-C“, was umso mehr für etwaige rechtswidrige Inhalte unter einer bestimmten Domain gilt. Ihn trifft frühestens dann eine Prüfungspflicht, wenn der Domaininhaber und Betreiber der Suchmaschine zuvor erfolglos aufgefordert worden ist, einen inkriminierten Suchergebniseintrag zu löschen oder wenn eine solche Aufforderung von vorne herein keinen Erfolg verspricht und wenn davon ausgegangen werden muss, dass die Störung nur durch eine Aufhebung der Registrierung des Domainnamens unterbunden werden kann.

  1. Haftung aus Eröffnung einer Gefahrenquelle

Nach hier vertretener Auffassung müssen für eine Haftung des „Admin-C“ in einer Vielzahl der anzutreffenden Sachverhaltskonstellationen freilich nicht erst die Grundsätze der Störerhaftung bemüht werden. Wenn der „Admin-C“ sich etwa für den unternehmerisch tätigen Domaininhaber auf Dauer verpflichtet, Zustellungen entgegenzunehmen, übernimmt er eine Funktion, die mit Blick auf die erhöhte Gefährlichkeit von Kennzeichenrechtsverletzungen, die durch die Registrierung von Domains bekanntermaßen bewirkt werden, eine potentiell schadensgeneigte Tätigkeit impliziert. Ähnlich einem Verkehrssicherungspflichtigen oder dem den Auftrag zur Tätigkeit als „Admin-C“ erteilende Unternehmen – die Domaininhaberin – selbst ist er verpflichtet, in Ansehung der konkreten Domains, für die er als „Admin-C“ eingetragen wird, Überprüfungen auf deren Rechtmäßigkeit und insbesondere etwaige entgegenstehende Rechte Dritter vorzunehmen. Derlei Prüfungspflichten sind ihm auch zumutbar, da bekanntermaßen jeder Domainregistrierung die Gefahr einer Kennzeichenrechtsverletzung innewohnt.

Durch die generelle Übernahme des „Admin-Mandats“ ohne Ansehung, welche konkreten Domains betroffen sein werden, wird jedoch eine dem „Admin-C“ zurechenbare Gefahrenquelle eröffnet, da die Registrierung von Domains ohne vorherige Recherche auf entgegenstehende Rechte Dritter in naheliegender Weise mit dem Risiko verbunden ist, schutzwürdige Interessen Dritter zu beeinträchtigen. Dadurch, dass der „Admin-C“ mit seiner Funktion die ernsthafte Gefahr einer Verletzung des Markenrechts eröffnet, kommt mithin unter dem Aspekt der Verletzung einer wettbewerbs- und kennzeichenrechtlichen Verkehrspflicht eine Haftung nach § 3 UWG und nach § 823 BGB in Betracht. Wer gegen eine solche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter der Verletzungshandlung.