Corona, höhere Gewalt und die Folgen für B2B-Geschäfte

Das Corona-Virus (Covid-19) infiziert die Wirtschaft. Börsenkurse brechen ein und erste Branchen bekommen die Folgen zu spüren. Besonders betroffen im B2B-Sektor: Dienstleister rund um die Themen Veranstaltungen und Messen sowie Unternehmen, die in geschäftlichen Beziehungen zu Unternehmen aus Krisenregionen stehen. Höchste Zeit also, einen ersten Blick auf die rechtlichen Konsequenzen von Corona für diese Branchen zu werfen.

Sie sind Veranstalter einer Messe oder einer größeren Konferenz? Ihr Lieferant aus China, Südkorea oder beispielsweise Italien stellt seine Lieferungen wegen des Corona-Virus ein? In allen diesen Fällen stellt sich die Frage: Kann storniert (gekündigt, zurückgetreten) werden? Muss trotz Nichtleistung gezahlt werden? Was ist mit Schadensersatz?

Der Gemeinsame Nenner: Die höhere Gewalt

Grundsätzlich kann die Problematik, gleich ob nach deutschem oder ausländischen Recht, gleich ob es um eine Veranstaltung, sonstige Dienst- oder Werkleistungen oder eine Lieferung von Waren geht, auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Dies ist die höhere Gewalt oder – in der internationalen Vertragssprache – force-majeure.

Vertragliche Regelung

Für diese Fälle sehen B2B-Verträgen häufig eine eigenständige Regelung vor, bei internationalen Verträgen häufig als force-majeure-Klausel bezeichnet. In nationalen Verträgen finden sich statt dessen die betreffenden Regelungen unter den Begriffen “höhere Gewalt”, “Leistungshindernisse”, “vorübergehende Leistungshemmnisse” etc. Die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung vorausgesetzt, ergeben sich daraus wichtige Hinweise dazu, was als höhere Gewalt anzusehen ist und welche Folgen sich dafür für den konkreten Einzelfall ergeben.

Vorsicht bei Anwendbarkeit von AGB-Recht

Besonders im nationalen Rechtsverkehr ist aber Vorsicht geboten. Hier kann bei fehlender individueller Verhandlung des Vertrags das sehr strenge deutsche AGB-Recht einschlägig sein. Dieses kann dazu führen, dass die Klausel erst gar nicht zur Anwendung kommt, weil sie überraschend ist bzw. Überraschendes enthält (§ 305c Abs. 1 BGB), oder unwirksam ist, weil sie den Vertragspartner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligt (§ 307 BGB).

Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung

Fehlt es an einer wirksamen vertraglichen Regelung, so ist das Gesetz anwendbar, für inländische Rechtsbeziehungen also insbesondere das BGB und HGB, für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr das UN-Kaufrecht (CISG) und gegebenenfalls auch ausländisches Recht.

BGB

Das BGB befasst sich z.B. in § 275 BGB (Unmöglichkeit der Leistung), § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage), § 314 BGB (Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund), § 323 BGB (Rücktritt wegen Nichterfüllung) und § 326 BGB (Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht) mit Fällen höherer Gewalt, ohne diese ausdrücklich zu bezeichnen.

UN-Kaufrecht

Für das UN-Kaufrecht, das vorbehaltlich einer anderweitigen Rechtswahl im grenzüberschreitenden Warenverkehr (nicht aber Dienstleistungsverkehr) mit dessen Vertragsstaaten Anwendung findet, enthält Art. 79 CISG die Regelung , dass ein sanktionsloser Leistungsausschluss dann vorliegt, wenn eine Partei durch einen von ihr nicht zu vertretenden und bei Vertragsschluss nicht vorhersehbaren Umstand an der Leistung gehindert ist, wenn sie dies unverzüglich der anderen Partei anzeigt.

Ausländisches Recht

Daneben enthalten, soweit ausländisches Recht anwendbar ist, zahlreiche Rechtsordnungen ähnliche Regelungen zur Nichtleistung aus vom Schuldner unvertretbaren Gründen.

Praxistipp

Als betroffenes Unternehmen sollten Sie daher folgende Schritte unternehmen:

  1. Prüfen Sie, was im Hinblick auf höhere Gewalt vertraglich vereinbart ist. Gibt es eine ausdrückliche Regelung zur höheren Gewalt bzw. eine sogenannte force-majeure-Klausel?
  2. Ist die Regelung wirksam vereinbart worden? Wenn ja, was regelt diese für den konkreten Fall?
  3. Fehlt es hingegen an einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung, so entscheidet das Gesetz. Daher muss im nächsten Schritt geprüft werden, welches Recht Anwendung findet.
  4. Bei einem Warenimport z.B. aus China wird häufig, nämlich immer dann, wenn es nicht wirksam durch eine anderweitige Vereinbarung abbedungen wurde, das UN-Kaufrecht anwendbar sein. Kann das Unternehmen aus Wuhan daher nicht liefern, weil es durch Behördenauflage geschlossen wurde, und war dies für das chinesische Unternehmen bei Vertragsschluss nicht absehbar, so kann es sich durch unverzügliche Anzeige wenigstens vorübergehend von der Leistung sanktionslos befreien.
  5. Schwieriger wird es für den deutschen Importeur, der die in China georderten Waren für seine Produktion oder den Weiterverkauf in Deutschland benötigt. Er wird nicht ohne Weiteres nach § 275 BGB von seiner Leistungspflicht frei, sondern muss sich zunächst um alternative Bezugsquellen bemühen, auch wenn dies teurer wird (Grenze: Unzumutbarkeit, vgl. § 275 Abs. 2 BGB).
  6. Wird dem Veranstalter einer Großveranstaltung oder Messe deren Durchführung wegen der Corona-Epidemie behördlich untersagt, kann er diese nach deutschem Recht absagen, § 275 Abs. 1 BGB. Schadensersatz schuldet er grundsätzlich nicht, es sei denn ihn trifft ein Verschulden, weil für ihn die Absage (z.B. aufgrund interner behördlicher Ankündigungen im Vorfeld) bei Abschluss des jeweiligen Vertrags bereits vorhersehbar war. Allerdings muss er bereits geleistete Zahlungen für die Messeteilnahme zurückerstatten, § 326 Abs. 1 BGB.
  7. Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle, in denen Veranstaltungen aufgrund behördlicher Empfehlungen oder deshalb abgesagt werden, weil infolge der Corona-Epidemie keine oder nur wenig Anmeldungen eingehen. Hier entscheiden die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Ort, die voraussichtliche Teilnehmerzahl und das konkrete Infektionsrisiko, das z.B. bei Sportveranstaltungen, Konzerten, Tanzveranstaltungen besonders hoch sein dürfte. Gebietet der Schutz der Teilnehmenden in diesen Fällen eine Absage, so dürfte auch diese sanktionslos zu erklären sein.
  8. Ein allgemeines Leistungsverweigerungs-, Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht wegen des Corona-Virus gibt es hingegen nicht.

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Stefan Ansgar Strewe

Rechtsanwältin und Fachanwältin für IT-Recht Anne Schramm, LL.M. (VUW)

Autor: Stefan Ansgar Strewe

Autor: Stefan Ansgar Strewe

Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht

Geschäftsführender Partner bei esb Rechtsanwälte Strewe, Hänsel & Partner mbB


Veröffentlicht am 10.03.2020
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