Die Betriebsratssitzung per Videokonferenz und ihre rechtlichen Klippen

In Zeiten von Corona verzichten viele Unternehmen auf Meetings vor Ort und weichen auf Videokonferenzen aus. Ist dieser praktische Weg auch für Betriebsräte gangbar? Keine unberechtigte Frage: Vor allem Gesamt- und Konzernbetriebsräte reisen für Betriebsratssitzungen quer durch die Republik.

Die Gesundheit mag der Aufhänger sein, die praktische Frage, ob Sitzungen des Betriebsrats per Videokonferenz abgehalten werden können, stellt sich in Zeiten adäquater digitaler Konferenztechnik immer deutlicher. Dennoch machen Betriebsräte von dieser Möglichkeit eher selten Gebrauch. Der Grund liegt nicht in Technikfeindlichkeit, vielmehr wirft die Betriebsratssitzung per Video einige rechtliche Probleme auf, die sich auf die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Betriebsrats auswirken können.

Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung

Betriebsratssitzungen sind nicht öffentlich. Das ist in § 30 Satz 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt. Teilweise wird vertreten, dass bei Einsatz von Videotechnik das Gebot der Nichtöffentlichkeit verletzt sei. Dafür reiche es aus, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass unberechtigte Dritte an der Sitzung teilnehmen bzw. ein unberechtigter Mitschnitt erfolge. Eine andere Auffassung meint dagegen, dass die virtuelle Betriebsratssitzung zulässig sei und man dort auch Beschlüsse fassen könne. Gegenseitiges Hören und Sehen liege vor und man könne eine effektive mündliche Beratung führen. Letzterer Auffassung gehört in digitalen Zeiten Zustimmung. Das Erleichterungspotenzial gerade für Gesamt- und Konzernbetriebsräte ist groß und die Möglichkeit, dass unberechtigte Dritte heimlich mithören oder mitsehen ist gering und stellt letztlich eine Straftat dar. Hinzu kommt, dass das Gefährdungspotenzial bei einer Präsenzsitzung nicht geringer ist, denn mittels Smartphone-Funktionen kann heute auf einfachste Weise und unbemerkt ein Dritter zugeschaltet werden oder es können Aufzeichnungen gemacht werden. Zudem gilt Folgendes: Zwar kann ein Beschluss unwirksam sein, wenn gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit verstoßen wurde. Das ist aber nur dann der Fall, wenn durch das Öffnen für die Öffentlichkeit in irgendeiner Weise Einfluss auf die Abstimmung genommen wurde. Das ist bei dem unbemerkten Mithören nicht der Fall, so dass zwar ein Formalverstoß vorliegen würde, der Beschluss dadurch jedoch nicht unwirksam würde.

Prinzip der „Anwesenheit“

§ 33 BetrVG sieht vor, dass Beschlüsse durch „anwesende“ Betriebsratsmitglieder gefasst werden müssen. Aus dieser Vorgabe wird zuweilen gefolgert, dass eine Betriebsratssitzung eine körperliche Anwesenheit voraussetzt, die Betriebsräte also gemeinsam vor Ort sein müssen. Die heutige Videotechnik gewährt die Möglichkeit der aktiven Teilnahme und Diskussion mit anderen zugeschalteten Mitgliedern und steht einer Präsenzsitzung nicht nach. Zwar ist unumstritten, dass Betriebsratsbeschlüsse im Umlaufverfahren oder per E-Mail unzulässig sind. Das liegt jedoch darin begründet, dass bei solchen Verfahren der notwendige demokratische Willensbildungsprozess, der einer Entscheidung vorausgeht, nicht eingehalten wird. Die Sachlage bei einer Videokonferenz liegt jedoch anders, hier ist die vorangehende Diskussion und die Abstimmung über den Beschluss unter Beteiligung aller teilnehmenden Betriebsratsmitglieder möglich.

Was können Betriebsräte zur rechtlichen Absicherung tun?

Zu der Thematik gibt es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung, so dass Betriebsräte, die Videotechnik für Betriebsratssitzungen einsetzen, sich auf unsicheres Terrain bewegen. Im Zweifel könnten Beschlüsse des Betriebsrats aufgrund von Verstößen gegen §§ 30, 33 BetrVG unwirksam sein. Faktisch kann daraus sogar ein Ausschlussverfahren gemäß § 23 BetrVG resultieren.

Wichtig ist zunächst einmal, weitgehende Einigkeit im Betriebsratsgremium herzustellen und zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Sitzungen per Video durchgeführt werden können. So sollte geregelt werden, dass Angelegenheiten besonderer Vertraulichkeit weiter auf Präsenzsitzungen erfolgen. Die Möglichkeit des Einsatzes von Videotechnik für Betriebsratssitzungen sollte in die Geschäftsordnung des Betriebsrats aufgenommen werden. Gleichzeitig sollte Wert auf eine technisch einwandfreie Videolösung gelegt werden, um sicherzustellen, dass Dritte nicht auf die Kommunikation zugreifen können. Auf dieser Ebene bietet sich eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber an.

Ausblick

Die Digitalisierung wird auch vor dem Betriebsratsbüro nicht Halt machen. Was heute noch umstritten ist, wird in wenigen Jahren vermutlich nicht mehr in Frage stehen.

Autor: Christian Oberwetter

Autor: Christian Oberwetter

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für IT-Recht


Veröffentlicht am 09.03.2020
unter #Arbeitsrecht, #IT-Recht