EGMR: Betreiberhaftung für Beleidigungen in Internet-Foren

RA / Fachanwalt IT-Recht Dr. Jens Bücking, Stuttgart

Mit Urteil vom 16.06.2015 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Betreiber eines Onlineforums zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt, da er offensichtliche Beleidigungen und Bedrohungen gegen die körperliche Unversehrtheit in seinem Onlineforum erst auf Intervention der Anwälte des Betroffenen gelöscht hatte. Technisch möglich und zumutbar sei es in solchen Fällen aber, einen Filter zu installieren, der – mit bestimmten Suchbegriffen versehen – offensichtlich ehrverletzende oder bedrohliche Inhalte von vornherein erkenne und lösche. Eines vorherigen Hinweises des Betroffenen bedürfe es in diesem Falle nicht.

Die Rechtslage in Deutschland wird hierdurch nicht unmittelbar tangiert. Nach hiesiger Rechtslage haften die Betreiber von Onlineforen für Rechtsverletzungen in ihren Diensten erst dann auf Unterlassung (und bei Verletzung der Unterlassungspflicht ggf. sodann auch auf Schadensersatz), wenn sie auf einen hinreichend konkreten Hinweis nicht unverzüglich die Inhalte, auf die hingewiesen wird, für den Fall der Offensichtlichkeit ihres beleidigenden oder sonst strafwürdigen Charakters löschen.

Im Grundsatz bleibt es freilich dabei, dass die Betreiber von Portalseiten oder Webhosting-Dienste Fremdinhalte nicht vor ihrer Veröffentlichung prüfen müssen. Dies ergibt sich aus tragenden Grundsätzen insbesondere auch des europäischen Rechts. Zum einen würde hierdurch in unverhältnismäßiger Weise die Meinungs- und Medienfreiheit tangiert, zum anderen könnte dies einen Verstoß gegen die grundsätzliche Dienstleistungsfreiheit in Bezug auf das Angebot von Telemediendiensten, die nicht durch staatliche Maßnahmen in unangemessener Weise behindert oder eingeschränkt werden dürfen, darstellen.

Nach Ansicht der europäischen Richter wäre jedoch im Streitfall der Betreiber durchaus in der Lage gewesen, unverzüglich zu handeln, da er über die technischen Möglichkeiten verfügte, Kommentare zu kontrollieren und durch ein automatisches Löschsystem vulgäre Begriffe herauszufiltern. Des Weiteren sei es dem Betreiber durch ein Warnsystem möglich und zumutbar gewesen, andere Nutzer in die Lage zu versetzen, den Betreiber über Beleidigungen und Bedrohungen zu informieren.

Autor: Dr. Jens Bücking

Autor: Dr. Jens Bücking

Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht

Senior Partner bei esb Rechtsanwälte Emmert Bücking Speichert Matuszak-Lesny (Adwokat) Partner­schafts­gesell­schaft mit beschränkter Berufshaftung


Veröffentlicht am 30.06.2015
unter #Allgemein, #IT-Recht