Reform des Produkthaftungsrechts ab Dezember 2026

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 11.September 2025 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Produkthaftungsrechts veröffentlicht. Der Entwurf dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2024/2853 und sieht eine grundlegende Reform des Produkthaftungsrechts erstmals seit 1989 vor. Laut aktueller Planung wird das Gesetz am 9. Dezember 2026 in Kraft treten. Der Fokus des Entwurfs liegt auf der Anpassung an die Digitalisierung, die Kreislaufwirtschaft und die globalen Wertschöpfungsketten.

Für Softwarehersteller ist der Entwurf von besonderer Relevanz, da Software und KI-Systeme als „Produkte“ künftig in den Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes einbezogen werden.

Ausweitung der Produkthaftung auf Software

Künftig ist eine Einbeziehung der Software in die Produkthaftung vorgesehen, unabhängig von der Bereitstellungs- oder Nutzungsform. Dies hat zur Folge, dass Softwarehersteller verschuldensunabhängig für Schäden durch fehlerhafte Software haften. In diesem Zusammenhang ist auch die Einbeziehung von KI-Systemen vorgesehen. Der Entwurf verzichtet bewusst auf eine Definition von Software, um Offenheit für künftige Entwicklungen in diesem Bereich zu gewährleisten. So werden beispielsweise bei der Steuerung autonomer Fahrzeuge durch KI, Körper- oder Sachschäden von der Produkthaftung umfasst, wenn dies auf einem Produktfehler beruht.

Ausgenommen bleibt Open-Source-Software, die außerhalb der Geschäftstätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird. Wird Open Source Software allerdings im Rahmen einer Geschäftstätigkeit in ein Produkt integriert, haftet der Hersteller für Schäden durch Softwarefehler. Grundsätzlich haften die Non-Profit-Organisationen, welche die Software bereitstellen, nicht, solange keine kommerzielle Nutzung vorliegt.

In die möglichen Produktfehler sollen künftig auch die Selbstlernfähigkeiten des Produktes, die Wechselwirkungen mit anderen Produkten; sowie die Cybersicherheitsanforderungen aufgenommen werden. Gemäß dem aktuellen Entwurf werden Hersteller künftig auch für Fehler haften, die durch Software-Updates oder -Upgrades verursacht werden. Ebenso kommt eine Haftung für das Unterlassen von Updates in Betracht, wenn diese erforderlich wären, um die Sicherheit des Produktes aufrechtzuerhalten.

Erweiterung der Produkthaftung bei Sitz des Herstellers außerhalb der EU

Der Verbraucherschutz soll auch dann erweitert werden, wenn der Produkthersteller außerhalb der EU seinen Sitz hat und daher nicht greifbar ist. In diesem Fall sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch weitere Beteiligte haften, beispielsweise Importeure, Fulfillment-Dienstleister und Lieferanten.

Neue Beweisführungsregelungen

Das neue Produkthaftungsgesetz soll die Beweisführung für die Kläger erleichtern. Neu eingeführt werden soll eine Vermutungsregel bei Schäden aufgrund von Produktfehlern. Demnach soll ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Produktfehler und Schaden grundsätzlich vermutet werden, wenn ein Produktfehler feststeht und die eingetretene Verletzung typischerweise auf diesen Fehler zurückzuführen ist.

Zudem wird die Fehlerhaftigkeit des Produkts sowie ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Schaden vermutet, wenn trotz offengelegter Beweismittel (1) die Beweisführung für den Kläger aufgrund technischer oder wissenschaftlicher Komplexität unverhältnismäßig erschwert ist und (2) das Vorliegen eines Produktfehlers und/oder die Kausalität zumindest wahrscheinlich erscheint.

Ferner müssen Unternehmen auf Anordnung des Gerichts zukünftig Beweismittel offenlegen. Hat der Kläger seinen Schadenersatzanspruch hinreichend plausibel dargelegt, kann der beklagte Hersteller auf Antrag verpflichtet werden, relevante Beweismittel offenzulegen. Dabei soll in der Regel bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Anspruchs genügen. Verweigert der Hersteller die Offenlegung, greift eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen eines Produktfehlers.

Ebenfalls relevant ist der Wegfall der bisherigen Haftungshöchstgrenzen von 85 Millionen Euro.

Praxistipp

Aufgrund der Änderungen sollte zunächst geprüft werden, ob das Produkthaftungsgesetz unter Berücksichtigung des erweiterten Produktbegriffs anwendbar ist. Gegebenenfalls entsteht dadurch zukünftig eine Haftung, die bislang nicht bestand.

Um den erweiterten Haftungsrisiken nach Markteintritt sowie den neuen Beweislast- und Offenlegungspflichten gerecht zu werden, gewinnen interne Dokumentations-, Überwachungs- und Nachweisprozesse (z. B. Software-Update-Protokolle) zunehmend an Bedeutung – insbesondere eine lückenlose Dokumentation der Entwicklungs- und Änderungsprozesse.

Auch eine etwaige Anpassung internationaler Liefer- und Serviceverträge, ist zu empfehlen, insbesondere wenn der Hersteller oder Zulieferer seinen Sitz außerhalb der EU hat.

Da Cybersicherheit heute integraler Bestandteil der Produktsicherheit ist, sollte auch eine Bewertung von Cybersicherheitsrisiken zur Sicherstellung der Einhaltung geltender Daten- und Cybersicherheitsvorgaben erfolgen.

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Rechtsanwältin Nicole Marquardt

Autor: Anne Graurock

Autor: Anne Graurock

Angestellte Rechtsanwältin


Veröffentlicht am 25.11.2025
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